Schutzlos: Thriller (German Edition)
konnte mich zu Leuten führen, die welche hatten.
Ich führte ein paar diskrete Telefonate mit einem Kontakt von mir in Damaskus und erfuhr, dass es in der Tat ein Interesse dieser Art gab. Ein viele Millionen Dollar schweres Interesse. Ein Mann dort nannte mir Henry Lovings Namen.«
Das also war die Antwort. Ich hatte sie zum Teil richtig erraten – Joanne war wegen ihrer Kenntnisse über geheime Regierungsorganisationen ins Visier genommen worden. Ich hatte ein terroristisches Motiv und eine Schläferzelle postuliert; tatsächlich ging es nur ums Geschäft. Angesichts Zagaews Unternehmerexistenz hätte ich es mir denken können.
»Wie viel bezahlen Sie Loving?«
»Eine Million Dollar, die Hälfte im Voraus. Die andere Hälfte, wenn wir gute Informationen von Joanne erhalten.«
»Und wenn Sie den Auftrag stornieren?«
»Muss ich trotzdem alles bezahlen.«
»Wo ist Loving jetzt?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Ich schwöre es bei Gott, Ehre sei Ihm. Ich habe Loving einmal getroffen – letzte Woche in West Virginia.«
»Warum dort?«
Zagaew zuckte mit den Achseln. »Es ist weit vom Schuss. Er hatte Angst, erkannt zu werden, wenn er in Dulles landen würde.«
»Weiter.«
»Ich habe ihm eine Anzahlung gegeben. Er mag keine Überweisungen.« Ein freudloses Lachen. »Noch viel weniger einen auf seinen Namen ausgestellten Scheck.«
»Und Sie haben ihn seitdem nicht mehr gesehen?«
»Nein. Wir schicken uns SMS oder telefonieren. Er hat mir einen Code gegeben, den ich bei unseren Gesprächen benutzen soll. Über Bauaufträge und dergleichen.«
»Welche Nummer wählen Sie?«
Zagaew gab sie mir, und ich erkannte sofort, dass es sich um einen Umleitungsservice handelte. Unmöglich zurückzuverfolgen. Die Vorwahl war irgendwo in der Karibik.
»Der Hubschrauber – gehört er Ihnen?«
»Einem meiner Partner im Restaurant.«
»Was haben Sie mit den Waffen gemacht?«
»Er hat sie mir zu meinem Schutz gegeben. Aber als er anrief, hat er den Codebegriff dafür verwandt, dass ich sie loswerden soll. Er hat sich wahrscheinlich Sorgen gemacht, dass die Leute, die Joanne bewachen, sie finden könnten.« Zagaew kaute auf seiner Unterlippe und blickte auf das rote Make-up-Case. »Ich schwöre, ich wusste nicht, wie gefährlich dieser Loving ist. Hätte ich die Informationen von dieser Frau auf eine andere Weise bekommen können, ich hätte es getan. Ich schwöre bei Gott, Ehre sei Ihm, ich wusste nicht, dass er die Tochter als Hebel benutzen würde.«
Ich erinnerte mich, dass er etwas in dieser Art gesagt hatte, als Freddy das Gespräch zwischen den beiden abhörte.
»Mit wem arbeitet er zusammen?«, fragte ich. »Hat er Partner?«
»Er arbeitet mit einem Mann, einem ehemaligen Militär. Ich habe ihn einmal gesehen. Groß, dunkelblond, trug eine grüne Jacke. Seinen Namen kenne ich nicht.«
»Sonst noch jemand?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Ich bin gleich wieder da«, sagte ich und verließ den Raum. Zagaew starrte voller Unbehagen in Richtung Bert.
Draußen traf ich Freddy. »Er singt wie Britney«, sagte der Agent.
»Das ist gut. Er arbeitet solo, und die Idee stammt von ihm. Die Syrer mögen das fertige Produkt kaufen, aber er ist auf sie zugegangen, nicht andersherum. Sie kennen Joannes Identität wahrscheinlich gar nicht.«
Da der Tschetschene in Haft war, blieben nur noch Loving und sein Partner als Gefahr für die Kesslers, und auch die würde vorüber sein, sobald sie von der Verhaftung Zagaews erfuhren. Sie würden vermutlich fliehen.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte der Agent.
Es gab zwei mögliche Spielzüge.
Ich überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass ich eigentlich keine Wahl hatte.
52
Ich wartete wieder.
Kurz vor sechzehn Uhr befanden wir uns in einem verlassenen
Feld nahe des Parks, der an den Ort der ersten Schlacht von Manassas grenzt – oder der ersten Schlacht von Bull Run, für die Anhänger der Nordstaaten.
Nicht weit von dort, wo sich Thomas Jonathan Jackson durch den Busch kämpfte – und durch Hagel- und Kettengeschosse –, um sich den Namen Stonewall zu verdienen.
Es war ein stiller, bewölkter Tag. Wir warteten.
»Das ist die allergefährlichste Zeit«, pflegte Abe immer zu sagen, so wie ich es nun stets meinen Zöglingen einzubläuen versuchte. »Warten. Denn wenn du diesem Beruf nachgehst, wenn du ein Schäfer bist, bist du klug. Und ein kluger Kopf braucht ein Stimulans. Warten stumpft dich ab, aber du kannst es dir nicht leisten, stumpf zu
Weitere Kostenlose Bücher