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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Vorzeit kennt.«
    »Äonen«, sagte Dill.
    Anne Maude grinste. »Wie lang ist denn eigentlich so ein Äon?«
    »Zwei oder mehr Formationen schätzungsweise«, sagte Mrs. Strucker, und da er einen Anklang an geologische Fachausdrücke herauszuhören meinte, stand für Dill fest, daß sie ihr Geld mit Öl gemacht haben mußte. Oder es war ihr Examen gewesen. Oder ihr Vater. Oder sonst irgendwer. Sie lächelte und setzte hinzu: »Was eine ganz schön lange Zeit ist.«
    »Und fast genauso lange kenne ich Jake«, sagte Dill.
    »Ziemlich lange Zeit schon.«
    »War er schon immer so – na ja, so verdammt optimistisch?« fragte Mrs. Strucker.
    Dill beschrieb mit der Hand einen kleinen Kreis, der das Schwimmbecken, das Haus und das ganze Grundstück umfaßte.
    »Vielleicht hat er allen Grund, es zu sein«, sagte er mit einem Lächeln. »Das ist das Micawber-Syndrom. Irgendeine Gelegenheit muß sich immer ergeben, und für Jake ist das stets so und war es stets so.«
    »Sie klingen kein bißchen neidisch, Mr. Dill – oder Ben, falls Sie mir diese kumpelhafte Vertrautheit gestatten wollen.«
    »Nein, durchaus nicht«, sagte Dill. »Ah, ich meine, ich bin überhaupt nicht eifersüchtig auf Jake, und es macht mir durchaus nichts aus, wenn man mich Ben nennt.«
    »Mir ist aufgefallen«, sagte sie, »daß das holde Glück eines alten Freundes oftmals den anderen alten Freund ins tiefste Elend stürzt.«
    »Da haben Sie vermutlich recht«, sagte Dill. »Wenn jemand, den man kennt, scheitert, ist doch die unmittelbare Reaktion darauf: Gott sei Dank trifft es ihn und nicht mich. Aber wenn dann jemand, den man kennt, Erfolg hat, dann heißt es: Warum denn er, mein Gott, und nicht ich. Aber was Jake angeht – na ja, für mich ist Jake so etwas wie ein wanderndes Rätsel – man kann’s nicht ganz glauben, aber man hofft in jedem Augenblick, daß alles wahr ist.«
    »Sie mögen ihn wohl sehr gern, nicht wahr?«
    »Jake? Sagen wir mal, Jake und ich verstehen einander und konnten es schon immer. Das geht über ein bloßes Mögen schon etwas hinaus.«
    »Johnny – das ist mein Mann – sagt immer, Jake Spivey sei der smarteste Mann, der ihm je begegnet ist.«
    »Ich bin mir dabei nicht ganz sicher, was ihr Mann mit smart meint. Ich denke eher, daß Jake womöglich der gerissenste Mann ist, dem ich je begegnet bin, der raffinierteste, listigste, der –«
    »Verschlagenste«, sprang Anna Maude ihm bei.
    »Und der verschlagenste.«
    Mrs. Strucker unterzog Dill einer gründlichen Prüfung, auf ihren Lippen schwebte ein leises Lächeln. »Ich habe auch das Gefühl, daß Sie ihm im Grunde sogar vertrauen.«
    Bevor Dill noch erwidern konnte, daß sie damit allerdings ganz schiefläge, tönte Jake Spiveys aufgeräumte Stimme aus zehn Metern Entfernung zu ihnen herüber:
    »Wer ist denn dieses niedliche kleine halbnackte Ding, mit dem mich bisher noch niemand bekannt gemacht hat?«
    Dill drehte sich um und sagte: »Sie ist gar nicht so klein.«
    Als Spivey bei ihnen war, grinste er zu Anna Maude Singe hinunter und sagte: »Bei Gott, Pick, es stimmt, ist sie wirklich nicht.«
    »Jake Spivey«, sagte Dill, »darf ich Anna Maude Singe vorstellen, meine Süße.«
    »Süße!« sagte Spivey. »Ich will verdammt sein, wenn du nicht schon wieder verstaubte, altmodische Wörter benutzt.« Er grinste noch immer zu Anna Maude nieder.
    »Wissen Sie, wie er mich manchmal nennt? Er nennt mich ein Juwel oder ›Brick‹, wobei man allerdings genau hinhören muß, wie er dies Wort betont.« Spiveys Grinsen wanderte hinüber zu Mrs. Strucker. »Wie geht’s Ihnen so, Dora Lee?«
    »Ganz angenehm, Jake. Danke.«
    »Na, das ist schön. Wir werden so in etwa einer halben Stunde essen, also lassen Sie mich wissen, falls Sie noch irgend etwas brauchen.«
    »Da ist noch eins«, sagte Anna Maude.
    »Und das wäre, Schätzchen?«
    »Wenn ich einen Kopfstand mache und dabei einen Käfer verdrücke, wird dann wohl jemand mit mir eine Führung durchs Haus machen?«
    Spivey legte den Kopf schief und lächelte zu ihr herab.
    »Sind Sie reich oder arm aufgewachsen, Anna Maude?«
    »Eher ein bißchen arm.«
    »Dann bekommen Sie Jake Spiveys ganz persönliches Geleit und Führung für arme Leute, diese Guck-mal-da-Mutti-Tour durch das Herrenhaus von Ace Dawson.«
    Anna Maude sprang hastig auf die Füße. »Im Ernst?«
    »Ganz im Ernst.« Er wandte sich zu Dill. »Übrigens, Pick, der Knabe, den du treffen wolltest, ich glaube, er wartet in der Bibliothek auf

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