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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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so.«
    »Und dann?«
    Colder zündete sich noch eine von seinen Mentholzigaretten an. Er inhalierte tief und schnitt eine Grimasse, als sei er den Geschmack sattsam leid, beziehungsweise das, was er gerade sagen wollte. »In diesem Bundesstaat reichen zwei Ärzte zur Zwangseinweisung. Die Abteilung hat zwei in ständiger Abrufbereitschaft – das sind Typen, denen wir Scherereien mit der staatlichen Ärztekammer machen könnten, falls wir etwas gegen sie unternehmen wollen. Wir halten ein bißchen den Daumen drauf.« Er legte eine Pause ein. »Ist das nicht gräßlich?«
    Dill nickte. »Das schon«, sagte er, »das ist es.«
    »Ich hab sie also für eine Weile aus dem Verkehr gezogen.«
    »Gertrude.«
    »Ja, Gertrude.«
    »Wann war das?«
    Colder schien nachzudenken. »Im September vergangenen Jahres.«
    »Sie ist also weg vom Fenster – wie lange? Zehn oder elf Monate?«
    »Richtig.«
    »Und?«
    »Man hat sie ruhiggestellt. Sie geben ihr Valium. Sie trifft sich sogar mit irgendeinem Kerl, dem sie da über den Weg gelaufen ist. Ich hab ihn überprüft, er ist einer von diesen Drehtürpatienten, einer vor diesen Alkis, der gerade im Entzug war, als sie ihn kennenlernte. Er lebt von einem Treuhandfonds, den eigentlich jeder Spriti haben sollte, also muß er sich um Geld keine großen Sorgen machen. Das bringt ihm monatlich ein paar tausend Dollar, und manchmal verkauft er auch hier und da ein Grundstück. Aber meistens hängt er sich bei Gertrude ein, er schenkt ihr Blumen, geht mit ihr ins Kino und ins Theater, wann immer er hier bei uns auftaucht, und das alles macht ihr offenbar einen Riesenspaß. Er ist älter, so etwa Anfang Fünfzig, und ich glaube schon, daß er sie auch bumst. Zwar nicht allzuoft, aber das macht ihr offenbar auch Spaß.«
    »Sie hat also in die Scheidung eingewilligt«, sagte Dill.
    »O ja, sie hat schließlich eingewilligt, nachdem sie unter Verschluß kam.«
    »Wo ist sie gewesen?«
    »Millrun Farm. Haben Sie schon mal davon gehört?«
    »Das war doch die Klinik des alten Doc Lasker, als er noch der prominenteste Abtreiber am Platz war. Sie kamen damals von überall hierher – aus New York, Los Angeles, Memphis, Chicago. Das war damals ein ganz angenehmer Ort, aber das ist nun schon viele Jahre her.«
    »Ist es immer noch«, sagte Colder. »Lasker ist tot, das wissen Sie ja.«
    Dill schüttelte den Kopf. »Wußte ich nicht.«
    »Er war alt, und sein Geschäft war ohnehin im Eimer, als die Abtreibung legalisiert wurde. Also verkaufte er das Ganze an ein paar junge Psychologen, und die machten einen Renner daraus. Weiß Gott, die verlangen aber auch Preise.«
    Dill trank sein Bier aus. »Ich frage mich, warum Felicity mir nie erzählt hat, daß sie heiraten wollte.«
    Colder schüttelte den Kopf, als wäre er zutiefst verwundert. Dill nahm ihm diese Geste nicht ab. Verwunderung gehörte ebensowenig zu Colders Repertoire wie schlichte Bescheidenheit. Nein, was immer Sie sein mögen, Captain, eins sind Sie ganz und gar nicht: erstaunt und bescheiden.
    »Sie erzählte mir, sie hätte Ihnen davon geschrieben«, sagte Colder.
    »Das tat sie nicht.«
    »Vielleicht war es wegen Gertrude und all dem.«
    »Vielleicht.« Dill bekam jetzt Lust auf ein weiteres Bier. Er schaute zur Bar hinüber, hielt den Blick der Kellnerin Lucille fest und machte mit abwärts gestrecktem Zeigefinger eine kreisende Bewegung über dem Tisch.
    Lucille nickte zurück zum Zeichen, daß sie ihn verstanden hatte. Dill wandte sich wieder Colder zu und warf ihm sein entwaffnendstes Lächeln zu.
    »Ich möchte Sie etwas fragen«, sagte Dill, und sein Lächeln floß jetzt fast vor Wärme, Verständnis und Mitgefühl über.
    Im ersten Augenblick war Colder dieses Lächeln offenbar nicht ganz geheuer. Er nahm seine Ellbogen vom Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er ging in Verteidigungsstellung. Als er antwortete, klang seine Stimme wieder so, als spräche er zu einem Fremden.
    »Welche Frage denn?«
    »Wo hat Felicity gewohnt?« Dill behielt sein Lächeln angestrengt im Gesicht.
    »Ecke 32nd und Texas«, sagte Colder ohne Zögern.
    Das Lächeln erlosch, und Dill schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich glaube, ich habe mich nicht richtig ausgedrückt.«
    »Sie haben mich gefragt, wo sie gewohnt hat. Ich hab’s Ihnen erzählt. Ecke 32nd und Texas.«
    »Da hat sie gelegentlich campiert«, sagte Dill. »Ich war heute nachmittag dort. Ich habe ein bißchen herumgestöbert. Da wohnte niemand, absolut niemand. Irgendwer hat

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