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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Spannbetonbrücke war 1938 erbaut und nach dem damaligen Minister des Inneren, Harold F. Ickes, benannt worden. Als Truman 1951 Mac-Arthur den Laufpaß gab, hatte der Stadtrat – beseelt von patriotischer Entrüstung – die Brücke nach diesem Fünfsternegeneral umbenannt. Aber fast jeder nannte sie noch immer so, wie er sie schon immer genannt hatte, die First Street Bridge.
    Als sie die steile Auffahrt zur Brücke hinauffuhren, sagte Dill: »Warum haben sie eigentlich nicht auch gleich Deep Four und South Broadway abgerissen, als sie auch überall anderswo alles zum Abriß freigegeben haben?«
    »Sie haben das damals schon in Erwägung gezogen«, sagte Anna Maude, »doch dann bekamen sie es mit der Angst zu tun.«
    »Angst wovor?«
    »Na ja, daß all die Penner und das Lumpengesindel woanders hinziehen würden – vielleicht sogar in ihre Nachbarschaft.«
    »Oh«, sagte Dill.

16
    Ihr Abendessen bestand aus Kalbsbries und Gumbo, schwarzgefleckten Erbsen, Krautsalat und Roggenbrot, zu trinken gab es Buttermilch und zum Nachtisch Limonenbaiser. Sie saßen unter dem zottigen Kopf eines Bisons, der seit neununddreißig Jahren tot war. Die Wände bei Chief Joe waren bedeckt mit den ausgestopften Köpfen von Bisons, Hirschen, Elchen, Wildkatzen, Pumas, Kojoten, Wölfen, Bighorns und drei Arten von Bären.
    Nachdem Dill und Anna Maude Singe mit dem Essen fertig geworden waren, kamen sie beide darin überein, daß es genau das wäre, was sie bestellen würden, falls sie jemals ihre letzte Mahlzeit zusammenstellen müßten.
    Das Restaurant war einst von Joseph Maytubby eröffnet worden, der zum einen Teil Cherokee, zum anderen Teil Choctaw mit einem kleinen Einschlag Kiowa gewesen war. Jeder hatte ihn Chief genannt, da schließlich jeder Indianer Chief genannt wurde. Maytubby war während des Ersten Weltkrieges Feldkoch in Frankreich gewesen. Er war nach dem Krieg dort geblieben, hat eine dreiundzwanzigjährige Französin geheiratet, sie mit zurück in die Stadt gebracht, und gemeinsam hatten sie dann 1922 das Chez Joseph eröffnet. Es war damals nur ein schmales Handtuch gewesen, mit langem Tresen und vier Tischen, doch das Essen war hervorragend, und als den Viehzüchtern aufgegangen war, daß Madame Maytubby sich auf die Zubereitung von Bergschnecken verstand, wurde es zu einem der zwei beliebtesten Restaurants in Packingtown. Das andere war das Punchers, das sich auf Steaks spezialisiert hatte. Man konnte auch bei Chief Joe ein Steak bestellen, was indessen nur selten jemand tat; statt dessen verlangte man Spezialitäten wie Kalbsbries, Bergschnecken, Hoppelpoppel aus Bregen und Eiern, Hammeleintopf, echte Ochsenschwanzsuppe und jenes wunderbare, namenlose Gericht, das das Restaurant aus Wildente zubereitete, sobald die Saison dafür gekommen war.
    Der Grundstein für die Galerie ausgestopfter Tierköpfe war gelegt worden, als 1927 ein viehzüchtender Kunde auf der kanadischen Seite der Rocky Mountains einen Grisly erlegt hatte. Er ließ den Kopf präparieren und schenkte ihn Chief Joe. Da er nicht so recht wußte, was er damit anfangen sollte, hängte ihn Chief Joe an die Wand. Danach begann jeder, der irgendwo irgend etwas geschossen hatte, ihm den ausgestopften Kopf zum Geschenk zu machen, bis sämtliche Wände mit glasäugigen Tieren bedeckt waren. Chief Joe starb 1961; seine Frau folgte ihm 1966 nach. Ihr einziger Sohn, Pierre Maytubby, übernahm das Geschäft, und ein paar alte Kunden machten den Versuch, ihn fortan Chief Pete zu nennen, was er jedoch nicht duldete. Unter Pierres Regie hatte das Restaurant seine Qualität erhalten, auch war das Schild draußen dasselbe geblieben, auf dem noch immer Chez Joseph stand, obwohl niemand außer Madame Maytubby es so genannt hatte.
    Als Kaffee und Cognac kamen, lehnte Dill sich genüßlich zurück und grinste zu Anna Maude Singe hinüber.
    Ihr Tisch stand an einer der Schmalseiten, und Anna Maude saß an der Wand direkt unter dem gewaltigen Schädel des Bisons, der mit der Zeit ein etwas mottenzerfressenes Aussehen bekommen hatte.
    »Sie mögen also Buttermilch zum Abendessen«, sagte Dill. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals mit einer Frau ausgegangen bin, die beim Abendessen auf Buttermilch bestanden hat.«
    »Man sagt mir sogar nach, ich würde sie noch vor dem Frühstück zu mir nehmen.«
    »Tatsächlich? Das erfordert eine Menge Mut.«
    »Was nehmen Sie zum Frühstück?«
    »Kaffee«, sagte Dill, »früher einmal waren es Kaffee und Zigaretten, aber ich hab

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