Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
Yellowfork Wasser, eine ganze Menge sogar, doch zu anderen Zeiten – wie jetzt – war er nur ein breiter, sich schlängelnder Fluß mit glänzend gelbem, trockenem Sand und am Ufer von Weiden und Baumwollgebüsch bestanden.
    Über Jahre hatte der Yellowfork der Stadt als bequeme ökonomische und soziale Demarkationslinie gedient.
    Südlich davon lebten die armen Weißen und die anderen, all die Armen von unterschiedlichster Hautfarbe. Obwohl sich die Trennlinie nach dem Zweiten Weltkrieg etwas verwischt hatte, geschah es immer noch aus Bequemlichkeit und Gewohnheit, daß alles südlich des Yellowfork noch immer Packingtown genannt wurde. Die JFK High-School nannte ihr Footballteam die »Kennedy Packers«. Und obwohl alle Schlachthöfe außer einem inzwischen vom Erdboden verschwunden waren, gab es Zeiten, wie Dill noch sehr gut wußte, in denen man an heißen Sommerabenden bei richtigem Südwind den durchdringenden Geruch von todgeweihtem und sterbendem Vieh riechen konnte. Man konnte ihn sogar noch weiter nördlich, bis hinauf nach Cherry Hills, riechen.
    Dill merkte, daß er den Wagen fast automatisch lenkte, als er südlich auf der Van Buren, dann nach Osten über die Our Jack und dann wieder südlich am Hawkins Hotel vorbei über den Broadway fuhr. In südlicher Richtung vom Hotel bewahrte der Broadway noch eine gewisse Anständigkeit, bis er die South Fourth Street erreichte oder die »Deep Four«, wie die Einheimischen sie nannten. Hinter der Deep Four war der South Broadway ein einziges brodelndes Gewimmel. Die South Fourth, die Third, die Second und First Street hatten einst die nahezu einzige Enklave nördlich des Yellowfork gebildet. Das frühere Getto war jetzt voll integriert und bevölkert mit den Abkömmlingen aller Rassen, Bekenntnisse und Geschlechter – wobei letzteres oftmals nicht genau festgelegt war. Sowohl die respektierlichen als auch die weniger respektablen Schwarzen waren schon seit langem so weit in die Vorstädte vorgedrungen, wie sie es sich leisten konnten, und hatten das Gebiet um die Deep Four den unteren Schichten und ihrem oftmals recht turbulenten Treiben überlassen. Dill erinnerte sich, daß seine Schwester kurz nach ihrer Versetzung zur Mordkommission kurze Zeit im South-Broadway-Deep-Four-Viertel gearbeitet hatte.
    Die Gegend bestand überwiegend aus Bars, Nachtklubs, Schnapsläden, Pornoschuppen und kleinen billigen Hotels mit Phantasienamen wie Biltmore, Homestead, Ritz oder Belvedere. Dort gab es auch noch eine große Anzahl altersschwacher Holzhäuser mit breiten Veranden davor.
    Die Leute, die dort auf ihrer Veranda saßen, sahen verschwitzt, tückisch, trübselig und verzweifelt genug aus, eine Revolte anzuzetteln, falls es nur irgendwann ein wenig kühler würde. Die Temperatur kurz nach neunzehn Uhr betrug 35 Grad Celsius, die Sonne war noch nicht ganz untergegangen. Viele von denen, die auf ihrer Veranda hockten, tranken Bier aus Dosen und hatten nichts weiter an als ihre Unterwäsche. Nicht die leiseste Brise wehte.
    »Woher kommen bloß all die vielen Nutten?« fragte Dill, als sie sich der South First Street näherten.
    »Vom Arbeitsamt«, sagte Anna Maude Singe. »Felicity hat sich manchmal mit ihnen unterhalten. Sie sagten immer nur, ihre einzige Alternative wäre ficken oder verrecken.«
    Sie hielten vor einer roten Ampel. Ein Mann stieß sich torkelnd vom Bordstein ab, ging vorn um den Ford herum und blieb auf Dills Seite stehen. Es war ein Mann um Mitte Dreißig. Er trug ein schmuddeliges grünes Unterhemd und Khakihosen. Seine Schuhe konnte Dill nicht sehen. Er hatte blaue Augen, die auf kleinen rosa Teichen zu treiben schienen. Er hatte dringend eine Rasur nötig.
    Sein Mund war häßlich verklebt von getrocknetem Speichel. Er tippte mit einem großen Pflasterstein an Dills Fenster. Dill kurbelte die Windschutzscheibe nach unten.
    »Gib mir einen Vierteldollar, Mister, ob ich brech deine verdammte Windschutzscheibe kaputt«, sagte der Mann, ohne auch nur die Stimme zu heben.
    »Zisch ab«, rief ihm Dill zu und kurbelte das Fenster hoch. Der Mann trat einen Schritt zurück und nahm mit seinem Pflasterstein sorgfältig Maß. Dill startete durch und fuhr bei Rot über die Kreuzung.
    »Ich hätte ihm den Vierteldollar geben sollen.«
    »Sie hätten gar nicht erst die Scheibe runterkurbeln sollen«, sagte Anna Maude.
    Kurz hinter der South First Street schlängelte sich der Broadway nach rechts zur Auffahrt der Brücke über den Yellowfork. Die vierspurige

Weitere Kostenlose Bücher