Schutzwall
in Minderheitenangelegenheiten, der junge Mr. Dolan. Timothy, so heißt er doch?«
»Timothy.«
»Aufgezogen von den Jesuiten und den alten Politprofis in Boston. Wer könnte sich eine gesündere oder passendere Erziehung vorstellen. Er ist vermutlich ein Typ mit gehörigem Ehrgeiz – der junge Tim.«
»Er ist ein professioneller Demokrat aus Boston, Clyde.«
»Dann ist das ja gar keine Frage.« Brattle nahm wieder einen Schluck von seinem Drink und sog tief an seiner Zigarette, worum Dill ihn beneidete. »Wie Sie zweifellos vermuten werden, Ben, hab ich einen Vorschlag für den Senator – und natürlich auch für den jungen Dolan.«
Dill nickte.
»Ich bin bereit, meine Medizin zu schlucken, könnte man sagen.«
»Wieviel Medizin, Clyde?«
»Vielleicht zwei Jahre in einem der angenehmeren Bundesgefängnisse, wo es ein bißchen lockerer zugeht, und dazu eine Geldbuße von, sagen wir, nicht mehr als zwei- oder dreihunderttausend.« Er lächelte. Es war ein warmherziges Lächeln, das von einem unerschütterlichen Selbstvertrauen zeugte.
»Zwei Jahre anstatt lebenslänglich, stimmt’s?« sagte Dill.
»Lebenslänglich ist immer so unbestimmt. Sobald das Gefängnistor rasselnd hinter mir zufällt – es fällt doch wohl rasselnd zu, nicht wahr? –, könnte ich doch schon binnen einer Woche tot sein und müßte mir dann vorwerfen, wie betrogen sich dann alle Welt vorkommt.«
»In manchen Löchern, die ich kenne«, sagte Sid, »würdest du vielleicht nicht mal ’ne Woche durchhalten, Clyde. Nachdem die Tunten erst mal einen Blick auf deinen knackigen Arsch geworfen haben …«
»Was bekommt der Senator dafür?« fragte Dill.
»Ein hübsches Paket. Er könnte damit zur Justiz gehen und denen drei Leute anliefern, einschließlich mich, was insgesamt vier macht, falls meine Arithmetik immer noch stimmt.«
»Wer sind die drei, die du verkaufen willst?«
»Als ersten Dick Glander und dann noch Frank Cour.
Sie könnten sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden im Sack haben.«
»Glander und Cour, das reicht ja alles ziemlich weit zurück, oder? Neunzehn Jahre? Zwanzig?«
Brattle nickte mit einem leichten, traurigen Lächeln auf den Lippen. »Neunzehn.« Er zuckte die Achseln, und das traurige Lächeln verschwand. »Aber im Leben jedes Menschen kommt einmal die Zeit, daß sogar die ältesten Freundschaften dem allgemeinen Wohl geopfert werden müssen. Glücklicherweise habe ich alles über sie gesammelt – gute, handfeste Sachen –, und sie haben gegen mich praktisch nichts in den Händen. Wären die Rollen vertauscht, nun ja, dann würde ich erwarten, daß beide dieselbe sichere Wahl treffen, die ich getroffen habe. Mit anderen Worten, ich würde erwarten, daß sie mich in den Sack hauen, bevor ich ihnen zuvorkomme.« Er lächelte wieder, und diesmal schien er echt belustigt. »Meine salbungsvolle Art sagt Ihnen wohl nicht zu, Ben?«
»Sie ist erfrischend«, sagte Dill, »nur Ihre Arithmetik macht mir Sorgen. Drei, sagten Sie. Glander und Cour, das macht erst zwei.«
Harley kicherte in seinem Stuhl von der Kombüse her.
»Du hast noch jemanden vergessen, Clyde.«
Aus der Tiefe von Sids Kehle entrang sich ein Laut, den Dill als fröhliches Glucksen deutete. Noch immer geschüttelt von seinem Ausbruch, winkte Sid Dill zu und nickte zu Brattle hinüber, als wollte er sagen: »Der alte Clyde!«
Brattles Augenbrauen schossen in gespieltem Erstaunen steil nach oben. »Mein Gott, sag bloß nicht, ich hätte Jake vergessen.«
»Ja, du hast Jake vergessen, Clyde«, sagte Sid, dem noch immer das Glucksen im Hals steckte.
Brattles Augenbrauen senkten sich, und er lächelte Dill wieder zu. »Mit Jake sind also die drei vollzählig, und dann ich noch, macht insgesamt vier, wie ich gesagt habe.«
»Was haben Sie denn gegen Jake in der Hand?« fragte Dill.
»Gegen Jake?« sagte Brattle. Das Lächeln verlor sich.
»Meine Güte, Ben – das ist mein voller Ernst –, ich habe genug über Jake Spivey, um ihm zu dreimal lebenslänglich zu verhelfen, ohne jede Hoffnung auf Bewährung.«
»Mindestens dreimal«, sagte Harley, »vielleicht sogar viermal.«
»Jake ist meine Nummer eins«, fuhr Brattle fort, »mein echtes Quidproquo, meine bombensichere Lebensversicherung, mein unwiderstehlicher Köder, mein Fahrschein in die goldenen Jahre wohlverdienter Ruhe und Zurückgezogenheit. Jake hat furchtbare Dinge getan, Ben – furchtbare, schreckliche, schockierende Dinge.«
»Jake ist schon ein übler Kerl«, pflichtete
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