Schutzwall
Portion ein. Ein ordentlicher Schuß vom harten, alten Logikverschnitt würde helfen, dachte er, stürzte den Whisky in zwei Schlucken hinunter und wünschte sich, vielleicht jetzt schon zum tausendsten Mal, daß er noch immer rauchte.
Er starrte weiter auf die Liste nieder, bis er wieder zum Kugelschreiber griff und eine einzelne Ziffer hinter jeden Namen setzte. Als das erledigt war, legte er den Kuli nieder, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stierte blicklos auf das, was er geschrieben hatte:
FBI – 4
Sen. Ramirez – 3
J. Spivey – 1
T. Dolan – 2
Du solltest deinen eigenen Arsch retten und dich absichern, dachte er, du solltest nach unten ins Foyer gehen und den Münzfernsprecher benutzen, weil vielleicht eines Tages, womöglich noch Jahre später, ein adretter blauer Anzug mit einer blitzenden Plastikdienstmarke der Regierung hier im Hotel aufkreuzt und die Herausgabe der Unterlagen über sämtliche Telefonate verlangt, die ein gewisser Benjamin Dill am Morgen des sechsten August geführt hat – an jenem selben Augustmorgen, als er seine Schwester zu Grabe trug und dem international berüchtigten und seither flüchtigen John Jacob Spivey einen Tip gegeben hat. Sie müssen selbst entscheiden, Ladys und Gentlemen der Jury: Hat Dill dies alles aus reiner persönlicher Gewinnsucht getan – oder aus irgendeinem anderen Motiv heraus, das Ihnen oder mir vielleicht verständlich ist? Das hat er wohl nicht, er tat es wegen etwas, das er als Freundschaft beschreibt, aus einem Gefühl heraus, das er selbst Loyalität nennt. Und was ist nun der Grund dieser angeblichen Loyalität? Sehen Sie, Dill möchte Sie glauben machen, daß er und Spivey einst Kumpel gewesen sind, unzertrennliche Gefährten, Jugendfreunde – ja sogar Busenfreunde. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren Geschworenen, was muß jemand für ein Soziopath sein, der ein Busenfreund von jemandem wie John Jacob Spivey sein kann, dem meistgesuchten Mann der Welt? Und so weiter und so fort, dachte Dill, seufzte tief auf, nahm den Hörer von der Gabel und wählte eine Nummer.
Das Telefon klingelte neun-, zehnmal, und endlich, beim elften Läuten ertönte ein schläfriges Knurren aus der Leitung. »Scheiße, welcher Wichser ist das?«
»Dein Busenfreund, Benjamin Dill.«
»Bist du besoffen?« fragte Spivey.
»Bist du wach?«
»Warte, ich hol mir nur eine Zigarette.«
Im Hintergrund konnte Dill die Stimme von Daphne Owen hören, die fragte: »Wer ist dran?«, und Spiveys Antwort: »Pick.« – »Was will er von dir um diese Zeit?« verlangte sie in einem halb wachen, halb quengelnden Ton zu wissen. »Wie zum Teufel soll ich wissen, was er will, solange ich nicht mit ihm gesprochen habe«, sagte Spivey und meldete sich dann wieder. »Was ist?«
»Ich bin’s.«
»Ja, weiß ich schon, aber was sonst?«
»Brattle ist zurück.«
Es entstand ein Schweigen, das geraume Zeit dauerte, bis Spivey schließlich sagte: »So?«
»Wieder hier, meine ich.«
»Hier in der Stadt?«
»Genau.«
»Na ja«, Spivey ließ wieder einige Sekunden verstreichen. »Wer ist bei ihm?«
»So ein Hüne mit Namen Harley, und dann noch einer mit gefärbten schwarzen Haaren, der sich Sid nennt.«
»Diese Saftsäcke!«
»Er will dich meistbietend verkaufen, Jake. Er will dich hübsch verschnürt Ramirez präsentieren, zusammen mit Dick Glander und Frank Cour. Er sagt, daß er sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden im Sack haben kann. Er sagt auch, daß er reichlich was über dich hat, um dir dreimal lebenslänglich zu verschaffen – ohne Bewährung. Allemal. Clyde sagt, daß er das machen will im Austausch gegen zwei Jahre Bau in irgendeinem Bundeserholungsheim und eine Geldstrafe von nicht mehr als zwei- oder dreihundert Dollar.«
»Wie sieht er aus?« sagte Spivey.
»Sehr selbstbewußt.«
»So sieht er immer aus. Wo hast du ihn getroffen?«
»In der Tiefgarage im Hotel, in einem Transporter.«
Es entstand wieder eine längere Pause, und dann sagte Spivey: »Also, ich danke für deinen Anruf, Pick, das rechne ich dir hoch an.«
An seiner Reaktion stimmt was nicht, dachte Dill, wo sind Panik, Furcht, die zitternde Stimme? Er dankt mir dafür, daß ich ihm mitteile, wo ich seinen entlaufenen Hund zuletzt gesehen habe. »Das war also alles?« fragte Dill.
»Mir fällt nichts weiter dazu ein.«
»Clyde schien sich seiner Sache sehr, sehr sicher, Jake.«
»Das ist halt sein Geschäft – das Sie-können-mir-absolut-vertrauen-Geschäft.«
»Er klang
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