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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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wieder angenommen hatte. Sie musste sich überraschend schnell von dem Schock erholt haben. Wenn es wirklich ein Schock und eine Überraschung für sie war.
    »Schönen Abend noch«, sagte sie, als sie sich verabschiedeten. Ihrer Stimme war nichts, aber auch gar nichts von einer Beunruhigung durch die schlimme Botschaft anzuhören, die sie ihr überbracht hatten.
    Ob sie wirklich so unwissend war, wie sie getan hatte? Braig war sich nicht sicher. Ob sie nicht doch über schauspielerische Fähigkeiten verfügte? Der theatralische Sprung vom Sofa, das pathetische Zurückfallen, die dekorative Träne auf der Wange, passte das zu der gesunden Gesichtsfarbe und der kräftigen Stimme, zu denen sie so schnell wieder zurückgefunden hatte?
Damit hent mir alle grechnet. Die hent sich doch so schon halb tot-gschlage
. Wusste sie von seinem Tod, war aber so clever, uns für einige Minuten die vom Schock der schlimmen Nachricht erschütterte Witwe vorzuspielen? Und um uns von sich selbst abzulenken, gaukelt sie jetzt die Existenz irgendwelcher Drohbriefe vor. Wer weiß, was für absurde Behauptungen sie uns morgen präsentieren wird. Ob ich mich wirklich so einfach von ihr abfertigen lassen soll?
    Er hörte, wie die Frau hinter ihnen die Tür abschloss, stieg mit Söhnle vorsichtig die Stufen zur Straße hinunter.
    Oder täusche ich mich? Tue ich ihr Unrecht? Er hatte Mühe, seine Gedanken zu ordnen. Vielleicht lag es an der späten Stunde. Müde starrte er ins gleißende Licht der Strahler.

5. Kapitel
    Ann-Katrin Räuber hatte keinen guten Tag gehabt.
    »Ich konnte es fast nicht aushalten«, erzählte sie Steffen Braig am Telefon, als er kurz vor 22 Uhr zu Hause angelangt war und sich müde auf seine Couch geworfen hatte, »ohne Schmerzmittel wäre es nicht gegangen.«
    Er hatte mehrfach nachgefragt, weil er ihre Reaktion inzwischen kannte und deutlich spürte, wie sie dem Thema wieder einmal aus dem Weg zu gehen versuchte.
    »Wir müssen es mit einem anderen Arzt versuchen«, sagte er, »ich werde mich jetzt ernsthaft darum kümmern.« Er hatte Dr. Keil um Rat fragen wollen, weil er von Bernhard Söhnle um dessen Kompetenz auch in der Beurteilung von Kollegen wusste, war aber angesichts des vergifteten Mannes im Weinberg nicht zu diesem Gedankensprung fähig gewesen. Er beschloss, den Arzt in den nächsten Tagen privat anzurufen.
    »Seid ihr weitergekommen?«, fragte Ann-Katrin.
    Braig spürte, dass sie von ihrem Gesundheitszustand abzulenken versuchte, fühlte sich aber zu müde, sich dagegen zu wehren. »Nicht viel. Die Sache mit dem Gift hat sich bestätigt.«
    »Blausäure?«
    »Wie Dr. Keil von Anfang an vermutete.«
    »Wer kommt an das Zeug?«
    »Eine gute Frage. Wenn wir die Antwort wüssten, hätten wir den Fall so gut wie geklärt. Apotheker, Mitarbeiter in Chemielabors und solche Leute.«
    »Im Umkreis des Toten ist niemand dabei?«
    »Seine Frau. Sie ist Apothekerin.«
    »Oh.« Ann-Katrin stutzte. »Und? Habt ihr sie euch schon vorgenommen?«
    »Ich war mit Bernhard bei ihr. Wir trauen es ihr zu, wissen es aber nicht. Sie schien für einen Moment betroffen, sehr betroffen sogar, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt. Vielleicht etwas zu schnell.«
    Sie hatten noch lange darüber gesprochen, nachdem sie das Haus in Rotenberg verlassen hatten. Marion Böhler, die Apothekerin, als Giftmörderin ihres Mannes? Söhnle und er waren sich einig gewesen, dass das Verhalten der Frau keine eindeutige Antwort gab. Vor ein paar Jahren noch hätte er sich nach einem kurzen Besuch bei einer Tatverdächtigen – das waren sehr oft die unmittelbaren Angehörigen eines Ermordeten – niemals angemaßt, ein vorläufiges Urteil über die Schuld oder Unschuld dieses Menschen zu fällen. Jetzt aber, nach mehr als einem Jahrzehnt Berufserfahrung, unzähligen Gesprächen und Vernehmungen, vertraute er mehr und mehr seiner Intuition, seiner inneren Stimme. Natürlich beurteilte er einen Menschen zu allererst von seinem Verstand her. Aber das war nicht alles. Ein geschickter Schauspieler konnte seine prüfend tastenden Sinne, seine kognitive Wahrnehmung wohl täuschen, ihm einen Sachverhalt vorspiegeln, der von der Realität ablenkte. Seine emotionale Auffassungsgabe, in unzähligen Ermittlungsverfahren ebenso trainiert wie sein Intellekt, beschränkte sich jedoch nicht auf die Darstellung des Menschen allein, sondern erstreckte sich auch auf dessen Umfeld, die Atmosphäre, das Zusammenspiel von Aussage und Verhalten des

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