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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sie erhalten können, angewiesen.«
    »Frau Börrisch soll einen Mann entführt oder gar …«
    »Nein«, fiel Neundorf ihr ins Wort. »Ihr Name tauchte nur plötzlich in unseren Unterlagen auf.«
    »Das kann nicht sein«, erklärte Dr. Welser, »die Frau leidet an Schüben von Depressionen. Seit heute Morgen liegt sie wieder in der Klinik.«
    »Depressionen? Bedeutet das, sie ist zeitweise nicht mehr fähig, ihr Leben allein auf die Reihe zu kriegen?«
    »So kann man das etwas salopp formulieren. Allerdings nur zeitweise. Wie ich heute Morgen aus unseren Unterlagen ersehen habe …«
    »Ja?«
    »Na gut, der letzte Schub liegt lange zurück. Fast ein ganzes Jahr.«
    »Und seither lebte sie, wie soll ich sagen, völlig normal?«
    Die Ärztin wog ihren Kopf überlegend hin und her. »Meike war ihre Betreuerin, nicht ich. Wie fit sie war? Ich weiß nur, dass sie ein schreckliches Schicksal erleiden musste. Ihre Tochter liegt in der Psychiatrie. Frau Börrisch muss daran zerbrochen sein. Wahrscheinlich haben die Anfälle damit zu tun. Immerhin haben wir den Schlüssel zu ihrer Wohnung …«
    »Sie haben den Schlüssel?« Neundorf sprang überrascht auf.
    »Von Patienten, die unter periodisch wiederkehrenden Problemen leiden. Es ist besser, wir kümmern uns darum anstelle des Notarztes. Der hat keine Beziehung zu ihnen, und wenn sie in der Nähe unserer Praxis wohnen …«
    »Wie steht es mit Frau Börrisch? Können wir mit ihr sprechen?«
    »Heute?« Dr. Welser schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Das dauert Tage, mindestens.«
    »Sie hat Verwandte? Oder lebt sie allein?«
    »Sie lebt allein, ja. Verwandte? Ich weiß es nicht.«
    »Dann möchte ich Sie bitten, uns den Schlüssel zu Frau Börrischs Wohnung zu leihen.«
    »Den Schlüssel?« Die Ärztin warf ihr einen skeptischen Blick zu.
    »Das ist der einfachste Weg. Bevor wir mit einer richterlichen Erlaubnis und zehn Mann unserer Spezialtruppe anrücken, die Tür öffnen lassen und so … Was glauben Sie, was das für ein Aufsehen gibt. Das kann nicht in Frau Börrischs Interesse sein.«
    »Müssen Sie wirklich …?«
    »Um alle Zweifel zu beseitigen.«
    Dr. Welsers Körperhaltung verkrampfte, sie rang mehrere Sekunden mit sich selbst. »Nur unter meiner persönlichen Begleitung«, erklärte sie dann, »und das wird etwas dauern. Mindestens eine halbe Stunde noch.«
    »Kein Problem. Wenn wir nicht länger warten müssen …«
    Gegen 18.30 Uhr waren sie gemeinsam mit der Ärztin erneut vor Klara Börrischs Wohnung angelangt. Neundorf steckte den Schlüssel ins Schloss, spürte schon nach der ersten Umdrehung keinen Widerstand mehr. Sie schob die Tür langsam nach innen, lugte vorsichtig durch den Spalt. Der Geruch nach abgestandenem Kaffee lag in der Luft. Neundorf öffnete vollends die Tür, wartete, bis ihre beiden Begleiter ebenfalls eingetreten waren, ließ sie dann wieder ins Schloss fallen.
    »Das ist die Küche«, erklärte die Ärztin, »und dort das Schlafzimmer.« Sie zeigte ans Ende des Flurs. »Sie saß weinend auf dem Bett, als ich heute Morgen kam.«
    Braig warf einen Blick in die Küche, sah den Filter voll benutztem Kaffeepulver in der Spüle stehen. Auf dem Tisch ein Brotkorb mit einem kleinen, angeschnittenen Laib, daneben ein Marmeladenglas und die Tasse samt Teller. Die Frau hatte offensichtlich keine Zeit mehr gefunden, die Wohnung aufzuräumen.
    Braig folgte der Diele, sah die beiden Frauen einen Blick ins Schlafzimmer werfen, öffnete die Tür daneben. Ein kleines, steril eingerichtetes Wohnzimmer mit schmalem Tisch, drei Holzstühlen und einer dunklen Kommode. Ein einziges, schwarz eingerahmtes Bild an der Wand. Das großformatige Porträt zweier Frauen, Mutter und Tochter, überlegte er. Die Ältere kam ihm sofort bekannt vor. Er hatte sie schon mal gesehen, in den letzten Tagen erst. Braig hielt inne, versuchte sich darüber klar zu werden, wo er der Frau begegnet war. Irgendwo im Umfeld seiner Ermittlungen. Nur wo und wann? Es wollte ihm nicht einfallen.
    Er lief zu der Kommode, zog die oberste Schublade vor. Tischdecken, Servietten, Handtücher, Kerzen, ein kleiner Leuchter. Er schob die Schublade zurück, musterte den Inhalt der nächsten. Zeitschriften, ein paar Bücher, alte Hefte. Er blätterte darin, fand Notizen und Rechnungen aus verschiedenen Einkäufen. Kleidung, Schuhe, Reisen. Als er sich dem dritten Fach zuwenden wollte, hörte er Neundorfs Rufen.
    »Hier, schau es dir an!«
    Braig ließ die Schublade offenstehen, folgte den Frauen

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