Schwaben-Filz
von Bach, Sie haben doch selbst mit ihm gesprochen! Dieser Mann«, er riss die Zeitung hoch, deutete auf das Bild des Ermordeten, »Grobe, er war der Liebhaber oder wie auch immer Sie das formulieren wollen, von Bachs Frau. Das weiß ich zu hundert Prozent! Ohne jeden Zweifel. Was glauben Sie, wie die sich damals anbrüllten und miteinander stritten. Das ging monatelang so.«
»Die Frau Ihres Nachbarn mit diesem Mann aus Esslingen?«
»Was erkläre ich Ihnen denn die ganze Zeit? Grobe, ich habe ihn sofort erkannt. Erst als Bachs Frau spurlos verschwunden war, hatten die Streitereien ein Ende. Was heißt ein Ende? Grobe stand Abende lang vor Bachs Anwesen, Sie kennen es ja, es liegt unmittelbar neben Hellners Grund, und brüllte die Straße voll von wegen Bach habe seine eigene Frau aus lauter Eifersucht ermordet. Ermordet und auf einer seiner Baustellen einbetoniert. Anfangs hielt ich den noch für verrückt. Auf einer Baustelle einbetoniert! Hatte der zu viele Horrorfilme gesehen? Aber später, da kam es mir dann, was der damit meinte.«
»Und? Was soll der damit gemeint haben?« Neundorf betrachtete ihren Besucher mit einem abschätzigen Blick.
»Keine Woche, nachdem seine Frau spurlos verschwunden war, betonierte Bach den Bereich vor seinem Wohnzimmer. Mitten im Winter, Anfang Februar! Angeblich als Terrasse, aber es gibt doch gar keine Tür, keinen Zugang zu diesem Bereich. Seine Frau ist spurlos verschwunden und der hat nichts anderes zu tun als ein Stück von seinem Garten zu betonieren. Finden Sie das nicht seltsam?«
»Oh je, es gibt so viele seltsame Dinge auf dieser Welt!«
»Sie sollten sich über das, was ich Ihnen hier berichte, nicht lustig machen. Oder finden Sie die seltsame Sinnesänderung Bachs nicht suspekt: Jahrelang versuchte er, Hellner dazu zu bewegen, ihre beiden Häuser abreißen und durch einen neuen, großen Komplex mit Eigentumswohnungen ersetzen zu lassen. Er tobte und schimpfte auf seinen Nachbarn, weil der sich weigerte, hetzte bei allen Anwohnern gegen den Mann – und plötzlich, als Hellner fast soweit war, einzulenken, begrub Bach von einem Tag auf den anderen seine Pläne. Von einem Tag zum anderen! Und wissen Sie, wann genau diese seltsame Sinnesänderung bei ihm eintrat?«
Neundorf zuckte mit der Schulter.
»Keine zwei Tage, nachdem seine Frau spurlos verschwunden war. Genau in dem Moment, als er den Betonsockel in seinen Garten gelegt hatte.«
»Woher wollen Sie das so genau wissen?«
»Woher? Ich wohne neben dem Mann, spreche mit ihm, fast jeden Tag. Und deswegen kann ich diesen Grobe jetzt nachträglich verstehen und ärgere mich über mich selbst.«
»Wieso?«
»Weil ich es war, der ihn zur Ruhe brachte. Der Streit zwischen den beiden war nicht mehr zu ertragen. Abend für Abend kam es zu handfesten Auseinandersetzungen, bis ich Ihre Kollegen rief und die dann Grobe Aufenthaltsverbot in unserer Straße erteilten.
Ich
rief nach Ihren Kollegen, nicht Bach! Der wusste genau, warum er sich trotz der ständigen Belästigungen die Polizei vom Hals hielt. Und als Ihre Kollegen dann endlich auftauchten und dem spurlosen Verschwinden der Frau nachgingen, oh je!«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Man soll ja nicht schlecht über andere reden, Frau Kommissarin, aber, mit Verlaub, Ihr Kollege, der die Sache untersuchte, oh nein!« Er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her, schüttelte den Kopf. »Zuerst kam ja dieser Kommissar Reimer, ein kluger Mann. Aber der war krank und dann schickten sie den anderen, nein, seinen Namen habe ich zum Glück vergessen. Dass der zu keinem Ergebnis kam, wunderte niemand. Das war sozusagen vorprogrammiert. Der ging Grobes Vorwürfen erst gar nicht nach. Bachs seltsame Sinnesänderung interessierte den überhaupt nicht. Dabei ist der jetzt total stur: Ein Abriss der beiden Häuser kommt nicht infrage – auf keinen Fall. Seit den Tagen, als seine Frau spurlos verschwand. Warum nur, können Sie mir das sagen? Und wundern Sie sich nicht, dass ausgerechnet dieser Grobe, der ihm vorwarf, seine Frau ermordet zu haben, jetzt selbst getötet wurde?«
24. Kapitel
Söderhofers Anruf war genau im richtigen Moment in Braigs Büro eingegangen. Der Kommissar hatte die Nachricht von Sonja Grobes vermeintlicher Lüge noch nicht ganz verdaut, als die Sekretärin des Staatsanwalts mit dem Gesprächswunsch ihres Herrn und Meisters vorstellig geworden war.
»Ja, bitte, ich bin am Apparat«, hatte er in den Hörer geknurrt.
Im gleichen Moment
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