Schwaben-Filz
hatte er die Stimme des Mannes am Ohr gehabt. Ein kalter Schauer war ihm über den Rücken gelaufen.
»Braig, wie fakturiert sich der Progress der Investigation?«
Er hatte gespürt, wie sich seine Rückenhaare aufrichteten, war nicht imstande gewesen, noch länger an sich zu halten. »Jawohl«, hatte er geantwortet, »es geht vorwärts. Ich habe eine Frau entlarvt, die uns belügt und die Ermittlung torpediert. Sie heißt Sonja Grobe. Sie dürfte Ihnen bekannt sein.«
Irgendwo in der Leitung hatte es geknackt, sonst war es totenstill geblieben. Erst nach mehreren Sekunden hatte er die bekannte Stimme wieder vernommen. »Braig, äh, was wollen Sie, äh, wie bitte?«
»Sie sind längst darüber informiert, ja?«
Söderhofer hatte Schwierigkeiten gehabt, die passenden Worte zu finden. »Braig, äh, welche Probleme …« Er war mitten im Satz verstummt.
»Sonja Grobe und ihr Liebhaber. Beide wurden von ihrem Ehemann mitten in der Nacht überrascht. Und kurz darauf war Grobe tot. Sie haben das alles gewusst, ja?«
Dem Mann hatte es endgültig die Sprache verschlagen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, sich den Sachverhalt durch gezielte Fragen zu erschließen, hatte er Braigs Bericht widerstandslos über sich ergehen lassen, dann nur noch mit einem resignierten: »Sie wissen wirklich, was Sie da behaupten?« reagiert.
»Ich bin gerade auf dem Weg zu der Nachbarin, die alles beobachtet hat. Wenn sie nicht bewusst lügt …«
»Ich komme mit. Warten Sie auf mich, ich hole Sie ab.«
Keine zwanzig Minuten später war der Staatsanwalt am Haupteingang des Amtes erschienen, um Braig nach Esslingen zu begleiten. Die Fahrt hatten sie fast ohne jedes Wort hinter sich gebracht. Der große, kräftige Mann war kaum mehr zu erkennen gewesen. Gezeichnet vom Schock der Mitteilung schien er hinter dem Steuerrad in seinen Sitz versunken. Ein einziges Mal hatte er versucht, einen Strohhalm der Hoffnung zu finden.
»Braig, hören Sie, es kann nicht sein, dass Sie einer Schimäre hinterherjagen?«
»Wir sprechen jetzt mit Frau Funk, dann werden Sie es selbst hören.«
Noch vom Amt aus hatte Braig zum Telefon gegriffen und beide Frauen unabhängig voneinander über sein Kommen informiert.
Das Grundstück, das die Funks bewohnten, war von einer hohen Steinmauer umgeben, hinter der dichte Hecken in die Höhe ragten. Nur von der Einfahrt aus war das Haus, ein weiß geklinkertes, zweistöckiges Gebäude, durch die dicken Metallstreben des massiven Tors hindurch zu erkennen.
Braig sah die vielfältigen Spuren von Kratzern wie die Dellen an mehreren Stellen des Tors und der linken Pfostenverlängerung, wies seinen Begleiter auf die nachträgliche Verstärkung des Mauerwerks hin. »Hier, die Folgen von Grobes nächtlichen Alkoholfahrten.«
Söderhofer starrte zur Seite, wusste offensichtlich nicht, wie er reagieren sollte.
Lilly Funk empfing sie mit betretener Miene. Sie war eine kleine, zierliche Frau um die Fünfzig, trug einen hellen Hosenanzug und eine schwarzrot gemusterte Bluse. Sie hatte wohl gerade etwas gelesen; eine auffällige, breitrandige Brille hing ihr von einer goldenen Halskette gehalten auf der Brust.
»Ich will ja nicht über meine Nachbarn herziehen«, meinte sie verlegen, nachdem Braig sich und seinen Begleiter vorgestellt und sie die beiden Besucher in einen großen, von dunklem Mobiliar geprägten Raum geführt hatte, »jetzt, wo so viel Schreckliches passiert ist.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen«, versuchte Braig sie zu beruhigen. »Erzählen Sie einfach noch einmal, was Sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vergangener Woche beobachtet haben. Damit helfen Sie uns, dem Täter auf die Spur zu kommen. Und das wollen wir doch alle.«
Sie hatten auf schwarzen Ledermehrsitzern Platz genommen, die auf schlanken, silberglänzenden Metallstreben ruhten und wohl von einem angesagten Designer entworfen worden waren, lauschten den Worten der Frau. Lilly Funks Ausführungen unterschieden sich auch nach mehreren Nachfragen Braigs in keiner Weise von dem, was sie ihm am Telefon berichtet hatte. Wenige Minuten nach Mitternacht hatten Sonja und Rolf Grobe sowie eine weitere Person einen heftigen Streit miteinander ausgefochten, was über mehrere Minuten hinweg von ihren Nachbarn beobachtet worden war.
»Und Sie sind sich absolut sicher, was die Uhrzeit und das Datum betrifft?«, vergewisserte sich Braig abschließend bei ihrer Gesprächspartnerin.
Lilly Funk zeigte keinerlei Zweifel. »Fragen Sie
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