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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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etwa schon?«
    Braig hatte die Hose und die Jacke bestaunt, die sie für ihn gekauft und zur Anprobe bereitgelegt hatte, war dann zu einem ausführlichen Bericht über seine Ermittlungen übergegangen. »Wir sind am Anfang«, hatte er ihr zum Schluss erklärt, »ganz am Anfang.«
    »Aber ihr wisst, wo ihr ansetzen könnt: Sobald die Gastwirte, die die Frau gestern besuchte, von ihrem Tod hören, werden sie sich bei euch melden.«
    Braig hatte ihr zugestimmt, dann die Hose und die Jacke ausprobiert. Sie war ihm zu Hilfe geeilt, hatte den Sitz und das Aussehen überprüft, war voller Freude darüber, dass ihm beide hervorragend passten.
    Theresas Anruf hatte sie auf den Boden der Tatsachen zurück geholt.
    »Mama ist immer noch unruhig. Ich habe Dr. Schwaderer gerufen. Er gab ihr Medikamente. Zur Beruhigung, wie er sagte.«
    »Sie wälzt sich wieder hin und her?«
    »Alle paar Minuten, ja. Und sie stöhnt leise vor sich hin.«
    »Hoffentlich kannst du heute Nacht ruhig schlafen.«
    »Ich muss. Die Exkursion hängt mir noch in den Knochen. Sie war sehr anstrengend.«
    »Ihr wart viel unterwegs?«
    »Das auch«, hatte Theresa erklärt, »aber das wussten wir schon vorher. Bethel ist eine Stadt mit annähernd zehntausend behinderten Menschen und fast ebenso vielen Betreuern. Wir wollten einen möglichst vielschichtigen Einblick in ihre Arbeit erhalten. Die Leute waren fast alle sehr freundlich. Entmutigend wirkten nur die Diskussionen und der Informationsaustausch mit Sozialarbeitern und Therapeuten. Sie sehen einen großen Teil ihrer Arbeit bedroht. Die Entwicklung lässt nichts Gutes erwarten.«
    »Kirche und Staat fehlen die Gelder, die Arbeit länger zu finanzieren?«
    »Das auch. Aber gegen dieses Problem können sie wenigstens etwas unternehmen. Sie suchen nach neuen Sponsoren, legen Therapiegruppen zusammen und reduzieren ihre Arbeitsstunden. Was sie viel schlimmer trifft, ist die Weigerung von immer mehr Betrieben, behinderten Menschen Arbeit zu geben. Die kaufen sich lieber mit größeren Beträgen von ihrer gesetzlichen Verpflichtung frei und setzen die bisher Beschäftigten vor die Tür. Besonders größere Firmen erledigen das mit Pauschalzahlungen.«
    »Warum? Was haben die davon?«, hatte Braig gefragt.
    Theresas Stimme war unüberhörbar von Resignation geprägt. »Behinderte zu beschäftigen stört bei der Optimierung der Betriebsabläufe. Bei immer mehr Unternehmen geht es nur noch um die Steigerung der Profite. Die Verpflichtung zu sozialem Handeln findet immer weniger Platz. Und was interessiert es da einen entsprechend konditionierten Manager, dass ein auch noch so bescheiden dotierter Arbeitsplatz gerade einem behinderten Menschen sehr viel Selbstwertgefühl zu vermitteln vermag?«
    Braig hatte schlecht geschlafen in dieser Nacht. Irgendwann, mitten in einem albtraumartigen Erleben, wurde er von einem starken Schmerz geweckt. Er spürte, dass sich sein rechter Unterschenkel verkrampft hatte, zog das Bein an sich, streckte es dann langsam wieder aus. Der Muskel beruhigte sich nur langsam. Braig drehte sich auf die andere Seite, versuchte, den Schmerz zu ertragen, um Ann-Katrin nicht zu wecken. Seine Gedanken waren aus dem Schlaf erwacht, ließen sich nicht so schnell wieder beruhigen. Er hatte Theresas Worte im Ohr, dachte unwillkürlich an die kleine Nudelfabrik, deren wichtigste Arbeitskraft so brutal ermordet worden war. Hatte Marianne Kindlers Tod mit dem Profit eines Konkurrenten zu tun? Er sah die Leiche auf der von nächtlichen Nebelschwaden eingehüllten Straße liegen, hatte die Szene vom Vortag plastisch vor Augen. War Marianne Kindler einem anderen Teigwarenfabrikanten zum Opfer gefallen, der um das Wohl seiner eigenen Firma fürchtete?
    Er wusste nicht, wie er die zahlreichen Verletzungen der Ermordeten einordnen, ob er sie wirklich nur als Resultat einer schrecklich entarteten intimen Beziehung betrachten durfte. Ein um seine eigene Firma besorgter Konkurrent oder ein von seiner Eifersucht getriebener Liebhaber als Urheber des schlimmen Todes der Frau?
    Braig fühlte sich hin- und hergerissen in der Beurteilung des außergewöhnlich brutalen Vorgehens des Täters, spürte, dass ihn die Müdigkeit langsam wieder übermannte. Der Gedanke, sofort am Morgen wieder nach Oettingen zu fahren und den Ehemann wie die Angestellten der kleinen Firma genauer auf einen etwaigen Liebhaber und die Konkurrenz zu befragen, begleitete ihn in den Schlaf.
    Das Läuten des Weckers kam Stunden zu früh. Er

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