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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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kurz, »mir krieget nix gschenkt.«
    Er machte sich an den Nudelpaketen zu schaffen, rückte sie in eine neue Ordnung. Braig sah, dass seine Hände leicht zitterten, entdeckte die tiefen Schatten unter den Augen des Mannes. Viel Schlaf schien er heute Nacht nicht gefunden zu haben.
    »Haben Sie schon überlegt, wer in den Verkauf einsteigen soll?«
    Kindler ließ eine der Nudelpackungen fallen, schaute mit fahlem Blick auf den Boden. »D’ Monika wird’s schon richte.«
    Braig merkte, wie schwer seinem Gegenüber diese Zukunftsprognose fiel, versuchte, sein Anliegen konkret anzusprechen. »Kindlers Nudelträume sind nicht die einzigen Teigwaren-Produzenten in unserer Gegend.«
    Der Mann gab keine Antwort, schaute fragend zu ihm her.
    »Ich meine, Sie haben sicher einige Konkurrenten.«
    »Des isch net s’ Problem. D’ Leut wellet bloß noch des billige Zeugs aus Italie, do dra hent mir zu beiße.«
    »Es gibt keinen Konkurrenten, der Sie bedroht?«
    »Bedroht? Wie bedroht?«
    Braig sah, wie der Mann überlegte, nahm eines der Pakete in die Hand. Grüne und teigfarbene Sterne purzelten durcheinander. »Kann ich Ihnen diese Packung abkaufen?«, fragte er.
    Kindler schaute ihn verwirrt an, nickte dann mit dem Kopf. »Zwei Euro zwanzig«, sagte er.
    Braig suchte das Geld zusammen, legte es auf die Theke. »Irgendein hartnäckiger Konkurrent, der sich durch Ihre Verkaufserfolge in seiner Existenz bedroht sieht«, sagte er.
    Sein Gegenüber schüttelte heftig den Kopf. »Aber doch net wege uns. I sags Ihne doch: Des billige Zeugs aus Italie isch schuld, doch net mir!«
    »Aber Ihre Frau verkaufte doch sehr gut. Und Frau Heller ebenfalls. Vielleicht kamen sie einer anderen Nudelfirma in die Quere.«
    Kindler schaute ihn ungläubig an, legte seine Stirn in Falten. »Was schwätzet Sie denn für en Unsinn? Mir sind doch viel zu kleine Fisch, als dass mir jemand in die Quere komme könntet.«
    Braig musterte sein Gegenüber, sah die besorgte Miene des Mannes. Er glaubte nicht, dass Kindler ihm etwas vorspielte, beschloss, die Zielrichtung seiner Fragen zu ändern. »Ihre Frau«, sagte er, machte dann eine kurze Pause, um dem Mann Gelegenheit zu geben, sich zu beruhigen, »besuchte vor allem Gaststätten, um ihre Nudeln zu verkaufen.« Er sah das zustimmende Nicken seines Gesprächspartners, fuhr langsam fort. »Die meisten Lokale liegen hier irgendwo in der Umgebung, einige sind auch etwas weiter entfernt. Hundert, hundertzwanzig Kilometer rund um Stuttgart. Nicht allzu weit. Trotzdem übernachtete Ihre Frau manchmal auswärts, wenn sie auf einer ihrer Verkaufstouren war. Seltsam eigentlich, oder?«
    Braig sah den aufmerksamen Blick Kindlers, merkte, wie es in dem Mann arbeitete.
    »Was soll do dran seltsam sein?«, stieß er schließlich nach einigem Zögern hervor.
    »Na ja, Ihre Frau hätte doch auch nach Hause kommen können, so weit entfernt war sie ja nie. Das Geld für die Übernachtung sparen, zum Beispiel.« Braig wollte seinen Verdacht nicht länger zurückhalten, kam direkt zur Sache. »Kann es sein, dass Ihre Frau auswärts nicht allein übernachtete, sondern vielleicht einen äh«, er zögerte einen Moment, wurde dann konkret, »einen Liebhaber hatte?«
    Hermann Kindler benötigte Zeit, zu verstehen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich im Verlauf weniger Sekunden, er verkrampfte, lief kräftig rot an. »Einen Lieb …«, presste er hervor, verstummte mitten im Wort, die Ungeheuerlichkeit der Vermutung endlich begreifend. Einen Augenblick lang schien er zu erstarren, unfähig, auch nur einen Ton zu äußern. Dann aber, den Kopf ruckartig nach vorne werfend, explodierte er wie ein lange unter Verschluss gehaltenes Pulverfass. »Einen Liebhaber, mei Weib?« Er schoss hinter der Theke vor, schob sich bis auf wenige Zentimeter an Braig heran, schrie sich all seinen Frust und seine Verzweiflung aus dem Leib. »Ja, send Sie völlig übergschnappt? Was wellet Sie uns denn noch alles in d’ Schuh schiebe? Mei Marianne mi betrüge?«
    Braig war unwillkürlich zwei Schritte zurückgewichen, das Nudelpaket, das er gerade erstanden hatte, wie ein Schutzschild zwischen sich und den vor Entrüstung geifernden Mann haltend, hatte die Empörung Kindlers dennoch unmittelbar vor Augen, weil der sofort nachrückte und ihn schreiend und all seine Verzweiflung aus sich heraus katapultierend quer durch den Verkaufsraum verfolgte. Er wollte gerade den Arm heben und ihn von sich weg drücken, als die Maschine im Nachbarraum mit

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