Schwaben-Gier
ohrenbetäubendem Lärm einsetzte und den Hausherrn innerhalb einer Sekunde zur Besinnung brachte. Kindler starrte verwirrt zur Tür, warf Braig einen letzten giftigen Blick zu.
»Mei Marianne hat koin Liebhaber, Sie sind ja von alle gute Geister verlasse!«, schimpfte er, drehte sich dann zur Seite, riss die Tür auf und spurtete in den Fabrikationsraum.
Braig hörte das schrille Heulen der Maschine, dazu die Schreie der beiden Männer, war froh, als die Tür zuschlug. Er seufzte laut auf, blieb ein paar Sekunden stehen, wartete, dass der Lärm verstummte. Nein, wenn Marianne Kindler ein außereheliches Verhältnis gehabt hatte, war dies ihrem Mann nicht bekannt, daran zweifelte er angesichts der soeben erlebten Reaktion keinen Augenblick. Wenn die Ermordete ihre auswärtigen Übernachtungen dazu benutzt hatte, sich mit einem Liebhaber zu treffen, war dieser Sachverhalt spurlos an ihrem Ehegatten vorbeigegangen. Wie aber sollte er dann die Identität des ominösen Mannes ermitteln?
Braig hörte, dass das Toben der Maschine nicht verstummte, verzichtete darauf, Hermann Kindler erneut zu befragen. Der Fabrikant war im Moment wohl zu keiner sinnvollen Auskunft imstande. Er drückte das Nudelpaket an sich, verließ die kleine Fabrik. Auch draußen auf der Straße waren die Geräusche der Maschine zu vernehmen. Wahrscheinlich kam Kindler, wie sein Mitarbeiter forderte, nicht darum herum, sich ein neues Modell zuzulegen – sofern er diesen Erwerb finanziell schultern konnte. Oder bedeutete das den endgültigen Ruin der kleinen Firma?
Braig folgte dem Klaus-Röder-Weg, bog dann nach links ab. Als er die Tordis-Hoffmann-Straße erreicht hatte, meldete sich sein Handy. Er nahm das Gespräch an, hatte Gerhard Stöhr am Ohr.
»Es ist so«, sagte der Kollege, »ein Gastwirt hat uns informiert.«
»Über Frau Kindlers Besuch?«
»Ja, das heißt«, Stöhr kam ins Stottern, »eigentlich nein.«
»Was denn jetzt?« Braig war stehen geblieben, wartete ungeduldig auf eine Erklärung. Stöhr, überlegte er, der Mann ändert sich nie.
»Es ist so: Es geht um den Besuch der Frau.«
»Wann war sie bei ihm?« Braigs Neugier war nicht länger zu zügeln. »Wie heißt die Wirtschaft? Wo liegt sie?«
»Die Frau war nicht dort.«
»Wie bitte?« Er blieb stehen, stampfte vor Wut mit dem Fuß auf den Boden.
»Diese Frau, äh, Kindler, wollte den Gastwirt besuchen. Das war so verabredet.«
»Ja und?«
»Sie kam aber nicht.«
»Wann? Am Montag?«
»Genau. Um 19.30 Uhr.«
»Wie heißt das Lokal? Wo liegt es? Haben Sie die Telefonnummer?«
»Germania in Backnang.«
»In Backnang?« rief Braig laut. Er schaute die Straße entlang, sah von Weitem eine Frau mit zwei Hunden auf sich zukommen.
»In Backnang«, bestätigte Stöhr. Er diktierte ihm die Telefonnummer, verabschiedete sich.
Braig spürte die innere Unruhe, die ihn seit den Worten des Kollegen erfasst hatte, versuchte fieberhaft abzuklären, was die neue Information zu bedeuten hatte. Marianne Kindler war um 19.30 Uhr zu einem Besuch in einem Backnanger Lokal verabredet gewesen, dort aber nicht erschienen. Weshalb? Weil sie bereits ermordet worden war?
Er schüttelte den Kopf, fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Das konnte nicht sein. Der Auskunft Dr. Keils nach war sie zwischen acht und neun Uhr getötet worden. Den verabredeten Zeitpunkt hätte sie danach also durchaus einhalten können. Alles, was er bisher über die Frau erfahren hatte, sprach für ihre Zuverlässigkeit. Was hatte sie dann also daran gehindert, das Lokal in Backnang zu besuchen? War sie zu dieser Zeit etwa schon in der Gewalt ihres Mörders?
Braig gab die Nummer der Gaststätte in sein Handy ein, hatte kein Glück. Er ließ es mehrfach läuten, war so in sein Vorhaben vertieft, dass er die Frau erst wahrnahm, als sie wenige Meter vor ihm angelangt war. Sie blieb stehen, deutete auf das Nudelpaket in seiner Hand. »Hent Sie die gschenkt kriegt?«
Braig sah die beiden Hunde, ein dünner schwarzer Pudel, der an seiner Leine zerrte, weil er von dem anderen, einem mittelgroßen hellbraunen Mischling beschnuppert wurde, erkannte die Frau wieder. Er spürte seine innere Unruhe, hatte keine Lust, sich auf eine längere Unterhaltung einzulassen. »Nein, ordnungsgemäß gekauft.«
Frieda Bachmann rümpfte die Nase. »Die findet doch immer neue Dackel, dene die ihr Gfräs adrehe könnet.« Ihre Haare waren jetzt von den Lockenwicklern befreit, türmten sich in hellem Blond hoch über die Stirn. Der
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