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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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ging um eine Wette. Sie kennen die Skulptur an der Spitze des Götzenturms?«
    »Ja«, sagte er, »ein Mann, der über dem Abgrund balanciert.«
    »Sie hatten ein Luftgewehr dabei«, erklärte Völlinger. »Bergel sollte das Gesicht der Skulptur treffen und es beschädigen. Deshalb waren sie so früh unterwegs. Er hatte gerade das Gewehr angelegt, als das Auto auftauchte und der Kerl die Leiche ablegte. Was glauben Sie, wie die auf ihre Wette fluchten!«
    Braig hörte das laute Lachen des Kollegen, bedankte sich für die Information und beendete das Gespräch. Er lief zum Waschbecken, wusch seine Hände und erfrischte sein Gesicht. Wenigstens diese Angelegenheit war geklärt. Was für Kindsköpfe es doch gab!
    Er verließ sein Büro, nahm den Fahrstuhl ins Erdgeschoss, checkte sich aus und lief zur Kantine. Er schaute sich nicht um, wollte in Ruhe essen, wählte Fischfilet mit Kartoffeln, ließ sich an einem nur von zwei ihm unbekannten Männern besetzten Tisch nieder. Als er das Tablett zurückstellte und sich einen Kaffee holen wollte, hörte er Felsentretters dröhnende Stimme unmittelbar hinter sich.
    »Du bist überhaupt nicht mehr im Büro!«, polterte der bullige Kollege. »Nur noch unterwegs, wie?«
    Braig nickte, verzichtete auf den Kaffee, winkte dem Mann freundlich zu. »Du hast es erfasst. Der nächste Termin wartet schon wieder.«
    Er hörte das laute Lachen des anderen, lief zum Ausgang, verließ die Kantine über die schiefe Rampe vor deren Eingang. Felsentretters Starke-Männer-Parolen waren das Letzte, was er jetzt brauchte. Er lief zum Bahnhof, trank dort im Stehen eine Tasse Kaffee, fuhr dann nach Ludwigsburg. Der Weg zum Marktplatz war ihm zur Genüge bekannt. Er hatte so oft schon in der Barockstadt zu tun gehabt, außerdem Ann-Katrin in der ehemaligen Wohnung ihrer Mutter besucht, als diese noch gesund war, dass er längst keinen Stadtplan mehr benötigte, um sich zurechtzufinden. Braig folgte der Myliusstraße, passierte den Arsenalplatz, auf dem zwei Jahre zuvor ein schrecklicher Mord an einer jungen Frau verübt worden war, den er mit der Hilfe einer Angestellten der gegenüber gelegenen Buchhandlung Aigner hatte aufklären können, kam dann über die Wilhelm- und die Kirchstraße direkt zum Marktplatz. Er querte das weitläufige, von üppig verzierten Barockfassaden eingefasste Areal, sah Neundorf von Weitem schon winken. Der Platz war von unzähligen Passanten bevölkert, die Stühle der umliegenden Cafés und Restaurants fast vollständig besetzt. Frühlingshaft laue Luft prägte die Atmosphäre. Braig kämpfte sich an unzähligen Eis schleckenden, mit T-Shirts oder kurzärmeligen Hemden bekleideten Jugendlichen vorbei, fühlte sich langsam wieder besser. Er lief direkt auf seine Kollegin zu, reichte ihr die Hand.
    »Traumhaftes Wetter, was?«, empfing sie ihn.
    Braig nickte, folgte ihrem Blick.
    »Am liebsten hätte ich noch einen Kaffee getrunken«, sagte sie, »den ersten Freiluftkaffee des Jahres.« Sie zeigte auf die gut besetzten Stühle auf dem Platz. »Aber leider reicht es nicht mehr mit der Zeit.«
    Er schaute auf seine Uhr, sah, dass ihnen noch zehn Minuten blieben. »Du bist noch nicht lange hier?«
    »Keine fünf Minuten«, antwortete sie, »diese Engelsanbeterin oder wie ich sie nennen soll, hielt mich auf.«
    »Frau Geissler? Was hattest du mit der zu tun?«
    »Sie unterhielt sich mit zwei Frauen, als ich am Haus vorbeikam, sprach mich an. Sie kannte mich, wusste, weshalb ich in Oettingen unterwegs war. In dem Kaff kannst du nichts unbeobachtet tun.«
    »Doch«, erwiderte Braig, »eine Frau ermorden und eine andere verschwinden lassen. Oder sogar zwei ermorden, wenn wir Pech haben.«
    Neundorf nickte, legte die Stirn in Falten. »Das ist das Paradoxe, ja. Einer überwacht den anderen, aber dann, wenn es darauf ankommt, ist niemand zur Hand.«
    »Und? Was wollte sie von dir?«
    »Mir weismachen, der Engel habe ihr am Morgen mitgeteilt, wo Sabine Layer zu finden sei.«
    Braig betrachtete seine Kollegin, vermisste jeden Ansatz eines spöttischen Gesichtsausdrucks. »Und?«, fragte er. »Was sagt der Engel?« Er musste unwillkürlich grinsen, merkte, dass Neundorf ihre ernste Miene beibehielt.
    »Der Mörder habe ihre Leiche vergraben. Auf dem Friedhof.«
    Er seufzte laut, blies die Luft von sich. »Die hat Humor, was?«
    »Mir ist nicht zum Lachen«, erwiderte sie, »die beiden Frauen, die dabeistanden, fragten sofort, warum wir nicht endlich auf dem Friedhof nach Frau Layer

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