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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Morgen zurück. Kurz nach Sieben, ohne Frühstück, war er zur S-Bahn gelaufen, hatte Ann-Katrin im Backnanger Krankenhaus besucht. Sie war noch schwach, bleich, von Erschöpfung und Schmerzen gezeichnet, hatte ihm mit einem Aufleuchten ihrer Augen ihre Freude über sein Erscheinen signalisiert. 11/2 Stunden hatte er an ihrem Bett verbracht, fast die ganze Zeit schweigend, seine Hand auf ihrem Arm.
    »Bitte keine Unterhaltung«, hatte ihn der Arzt ermahnt, »sie ist noch zu schwach.«
    Den ganzen Rückweg auf der Straße zum Bahnhof, dann im Zug hatte er damit verbracht, Gott und das Schicksal, alle Mächte dieser Welt anzuflehen, zu bitten und zu betteln, sie wieder gesund werden zu lassen.
    »Es läuft gut«. Er hoffte, dass der Arzt die Situation korrekt beurteilte. »Sie ist jung, kräftig, durchtrainiert. Ihre Genesung schreitet voran. Langsam, aber stetig. Aber sie braucht Zeit. Viel Zeit.«
     
    Braig nahm die Tasse in die Hand, trank von dem Tee. Der Earl Grey schmeckte kräftig, fast zu bitter.
    »Die Zahlen sind realistisch.«
    Er sah auf, bemerkte Hofmanns angespannte Miene.
    »Ich habe im Statistischen Bundesamt und im Berliner Verkehrsministerium angerufen und die entsprechenden Referenten verlangt, um mich zu informieren. Die Zahlen sind echt. Frau Litsches Arbeit ist absolut seriös.«
    Sie hatten die Diskette am Dienstagnachmittag nach ihrer Rückkehr ins Amt gemeinsam mit Michaela König und Klaus Weidmann in den Computer gelegt und ihren Inhalt studiert.
    »Ein Krieg. Es geht um einen Krieg«, hatte der Journalist erklärt und auf die Beschriftung der Diskette verwiesen.
    Braig war direkt vom Krankenhaus nach Stuttgart gefahren, die Gedanken mehr bei Ann-Katrin Räuber als bei den Texten und Zahlen, die über den Bildschirm flimmerten. Er hatte Schwierigkeiten gehabt, sich zu konzentrieren. Erst nach und nach war ihm die Bedeutung der Zahlen auf dem Monitor klar geworden.
    »Ich hatte mit vielem gerechnet«, sagte Hofmann, die Teetasse in der Hand, »Frauenhandel, Prostitution Minderjähriger, Krieg im Kosovo oder in Mazedonien, Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Menschenhändlern oder Drogenbaronen, Aufdeckung von Crack- und Ecstasy-Labors oder Ähnliches. Mit allem, aber nicht damit.«
    Braig nickte, konnte die Gedanken des Oberstaatsanwaltes nachvollziehen. »Ich brauchte ziemlich lange, zu begreifen, um was es geht. Krieg. Alles hätte ich damit in Verbindung gebracht, nur das nicht.«
    »Dabei hat Frau Litsche die Zahlen noch äußerst vorsichtig interpretiert. Ein Wissenschaftler des Bundesamtes wies mich darauf hin, dass die reale Zahl der Opfer des Autoverkehrs weit höher liege, entgegen den offiziellen Verlautbarungen auch in Deutschland mit steigender Tendenz. Bei uns werden nur die Personen von der Statistik erfasst, die innerhalb von 30 Tagen an den Folgen eines Unfalls sterben. Durch die Fortschritte der Medizin gelingt es den Ärzten immer häufiger, Menschen länger am Leben zu halten. Viele sterben erst Wochen danach, werden damit nicht als Verkehrstote erfasst. Während unsere offiziellen Statistiken also von immer weniger Opfern faseln und Entwarnung jubeln, schwillt die Zahl der Getöteten in Wirklichkeit weiter an. Und in anderen Ländern ist es noch krasser: Viele zählen nur drei Tage nach einem Unfall Verstorbene mit. Der Wissenschaftler sprach daher von weltweit mindestens 50 Millionen bisher von Autos getöteten Menschen, wobei die Zahl der Schwerstverletzten und Verkrüppelten noch weit darüber liege, nach vorsichtigen Schätzungen bei einem Minimum von 100 Millionen.«
    Braig trank von seinem Tee, versuchte, sich die Größenordnung klar zu machen. »Insgesamt 150 Millionen?«
    Hofmann nickte. »Nach seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen.«
    »Dänemark hat fünf Millionen Einwohner, Schweden etwa acht Millionen, Finnland und Norwegen jeweils vier einhalb, Belgien um die zehn Millionen, die Schweiz sieben, Österreich acht Millionen, Jugoslawien sechs Millionen, Kroatien vier, Slowenien knapp zwei Millionen, Mazedonien zwei, Bosnien etwa drei Millionen … Wie viele sind es? Haben Sie mitgezählt?«
    »Vierundsechzig Millionen.«
    »Und die Wissenschaftler sprechen von 150 Millionen Getöteten und Verkrüppelten? Dann habe ich jetzt nicht einmal die Hälfte …«
    »Krieg«, sagte Hofmann, »tatsächlich ein Krieg. Der Beamte im Verkehrsministerium machte mich darauf aufmerksam, dass es vor allem die Unschuldigen trifft. Weniger die Autofahrer selbst als

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