Schwaben-Hass
an. »Du meinst …«
Katrin Neundorf nickte. »Im Auto wäre natürlich am besten. Aber wenn das nicht möglich ist … Kein Problem. Wir haben sehr gute Grafiker.«
Claudia Steidle schüttelte nur noch ihren Kopf.
46. Kapitel
Steffen Braig hatte Ann-Katrin Räuber ins Backnanger Kreiskrankenhaus begleitet, wartete vor dem Operationsraum auf den vorläufigen Befund. Die Ärzte hatten den Tod des hageren Verbrechers, der auf die junge Beamtin gezielt und dann von Braig erschossen worden war, amtlich bestätigt, anschließend den Kollegen der Backnanger Kriminalpolizei das Feld überlassen. Schon nach weniger als einer halben Stunde stand durch einen Fingerabdruckvergleich fest, dass es sich bei dem Getöteten um den wegen verschiedener Gewaltdelikte und Totschlags bereits mehrfach verurteilten und bis vor wenigen Monaten inhaftierten Sven Ottlich handelte, einen Kriminellen, der bisher mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis verbracht hatte und in einschlägigen Kreisen als zuverlässiger Auftragsverbrecher bekannt war.
Zeitgleich mit den Untersuchungen der Kriminalpolizei bemühte sich die Backnanger Freiwillige Feuerwehr in Person des jungen, erst 20-jährigen Florian Seeliger, Michaela König vom Dach des Hauses zu befreien, auf das sie sich auf der Flucht gerettet hatte. Die professionell arbeitenden Retter hatten ihr Fahrzeug unter ständigem Hupen und Schreien inmitten der gaffenden Menschenmenge aufgestellt, dann die überlange Leiter ausgefahren.
Der Lärm der Neugierigen ebbte schlagartig ab, als sich der junge Feuerwehrmann in Bewegung setzte, die steile Leiter zu erklimmen. Florian Seeliger kletterte schweigend in die Höhe, professionell gesichert. Der junge Mann war mehr als 1,90m groß, von schlankem, muskulösem Körperbau.
Bleierne Stille lastete über der gesamten Umgebung, als er das Dach erreichte. Wenige Zentimeter oberhalb der untersten Ziegelreihe blieb er stehen, sagte etwas zu der auf dem Dachfenster kauernden Frau, wartete auf ihre Reaktion. Die atemlos vor Spannung in die Höhe starrende Menschenmenge sah das Nicken der Frau, verfolgte gebannt, wie sie sich aus ihrer unbequemen Position erhob und langsam das Dach abwärts kletterte.
Florian Seeliger erwartete sie, aufrecht auf seiner Leiter stehend, mit ausgestreckten Armen. Obwohl die Zahl der Zuschauer inzwischen in die Hunderte ging, Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder in Scharen zu dem kostenlosen Spektakel geeilt waren, hätte man im Bereich der oberen Marktstraße in diesem Moment eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können – so prosaisch beschrieb jedenfalls die Redakteurin der Backnanger Kreiszeitung am nächsten Tag die atemlose Spannung der Menschen. Als der junge Feuerwehrmann die Frau in seinen Armen barg und zu sich auf die Leiter hievte, ging ein Raunen durch die Reihen, begeisterterleichtertes Klatschen setzte ein. Der gemeinsame Abstieg von der Leiter schien dann nur noch Formsache.
Welches Ausmaß vor allem weiblicher Verehrung Horian Seeliger, dem mutigen Feuerwehrmann dabei zugeflogen war, vermochte die Verfasserin der Zeitungszeilen kaum abzuschätzen, sie machte jedoch keinen Hehl aus ihrer eigenen Bewunderung für den jungen blonden Siegfried, der heldenmütig zur Befreiung der jungen Frau beigetragen hatte.
Was die Information über den Gesundheitszustand Ann-Katrin Räubers anbetraf, musste sich Steffen Braig fast eine Stunde lang gedulden. Nach mehr als fünfzig Minuten untätigen nervösen Wartens wurde dem Kommissar von einem der an der Operation beteiligten Ärzte mitgeteilt, dass die Situation wesentlich besser als ursprünglich eingeschätzt beurteilt werde. Die junge Beamtin habe zwar einen Milzdurchschuss erlitten, doch sei ihr körperlicher Zustand wohl unter Kontrolle, was den zweiten Schuss anbeträfe, könne man nur von Glück reden, da er genau in Höhe des Herzens nur den Arm gestreift habe. Der relativ große Blutverlust der Frau bleibe nach ärztlichem Ermessen und nach Einleiten therapeutischer Maßnahmen ohne schwerwiegende Folgen.
»Sie sind sich absolut sicher?«, forschte Steffen Braig.
Der Arzt sah ihm offen in die Augen. »So weit mein Beurteilungsvermögen reicht, ja. Aber natürlich sind wir Ärzte keine Götter.«
47. Kapitel
Kurz nach 15 Uhr hatte Katrin Neundorf die Fotos auf dem Bildschirm ihres Computers. Völlinger aus einem Haus tretend, über eine Straße laufend, in ein Auto abtauchend, hinter der Windschutzscheibe verschwindend.
Sie holte die
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