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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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nehmen. Braig erinnerte sich voller Widerwillen an das abgestandene Wunderwasser, das sie ihm von dort zum Trinken mitgebracht hatte, um auch ihrem Sohn den Schutz der Muttergottes persönlich zukommen zu lassen. In einem günstigen Moment hatte er es weggeschüttet, ohne dass sie es bemerkte und ihr seine Dankbarkeit für ihre Fürsorge vorgegaukelt.
    Er lief in die Toilette, putzte seine Zähne und legte sich ins Bett, als das Telefon erneut läutete. Diesmal gab er ihr oder wer immer am anderen Ende steckte, nicht nach. Zehn Minuten später hatte er die Sorgen des Tages vergessen.

11. Kapitel
    Sie hatten ganze Arbeit geleistet. Der Bildschirm des Computers war zertrümmert, die Tastatur wie der Drucker vom Schreibtisch gestoßen und auf dem Boden mit Wasser Übergossen worden. Zerbrochene CDs und Disketten schwammen in Lachen auf dem Parkett, zerfetzte Bücher und verschmierte Manuskript-Blätter daneben. Dem Benjamini fehlten fast sämtliche Blätter, die alte, fast mannshohe Palme ragte entwurzelt aus einer geöffneten Schreibtischschublade. Die Erde der Pflanzen bedeckte Teile des Schreibtischs, der Bücherwand und des Bodens. Zwischen den Schubladen steckte kopfüber der CD-Player, die Anschlüsse zu einem wirren Kabelsalat verknäuelt. Umgestürzte, durch die Luft geschleuderte Aktenordner mit und ohne Inhalt bedeckten große Teile des Raumes. Das ganze Zimmer glich einer großen, ungeordneten Müllkippe.
    Michaela König wagte es nicht, einen Schritt in das Chaos zu tun, lehnte mit vor Schrecken verzogenem Gesicht, völlig verwirrt am Türpfosten. Es war saubere, wohlüberlegte Arbeit. Weder im Treppenhaus noch an der Eingangstür hatte sie irgendeine Spur der Eindringlinge bemerkt, kein Fleck, kein zur Seite gestoßener Gegenstand, keine Zerstörung.
    Nur in ihrem Arbeitszimmer hatten sie gewütet wie die Vandalen. Hier, wo ihre empfindlichste Stelle lag, der Ort, wo man sie entscheidend treffen konnte, weil ihre berufliche Arbeit, ihr Fortkommen, ihre Karriere weitgehend von ihren Aufzeichnungen abhing. Sie kannten sie, wussten genau über sie Bescheid.
    Ihre Hände zitterten, ihre Ohren sausten. Angst, nichts als Angst. Hatten die Verfolger Verena Litsches es jetzt tatsächlich auch auf sie abgesehen?
    Sie klammerte sich an den kalten Türpfosten, ließ ihren Tränen freien Lauf. Eine halbe Stunde lang war sie auf Nebenwegen durch die Stadt geirrt, hatte sich von Hauswand zu Hauswand geschleppt, um sich vor jeder Begegnung mit Autos und Menschen zu schützen, nur den einen Wunsch im Sinn, sich ins Bett legen und ihrem tiefen Schlafbedürfnis 78 nachgeben zu können. Hätten die Eindringlinge die Tür zu ihrem Arbeitszimmer nicht weit geöffnet, sodass sie die Spuren ihrer Zerstörung schon vom Hur her erkennen musste, sie wäre sofort vor Erschöpfung ins Bett gesunken. Jetzt aber …
    Sie wusste nicht, was tun. Ruhig bleiben und schlafen? Oder die Wohnung verlassen und irgendwo Zuflucht suchen, der Polizei den Einbruch und die Morde melden?
    Das Telefon läutete, laut und schrill. Das Telefon. Jetzt, mitten in der Nacht. Das Telefon?
    Sie zuckte zusammen, rieb sich verwundert die Augen, schielte auf ihre Uhr. Zwanzig nach Drei. Frühmorgens. Telefon, jetzt?
    Es läutete zum dritten, zum vierten Mal.
    Instinktiv, ohne lange zu überlegen, nahm sie ab. Vielleicht war alles, was sie seit gestern Abend erlebt hatte, ein seltsamer, böser Traum. Das Telefon konnte Aufklärung bringen, sie in die Realität zurückholen.
    Sie hielt den Hörer in der Hand, vernahm das Geräusch im Hintergrund. Klassische Musik. Wagner, Tannhäuser, die Ouvertüre. Ta ta ta, ta ta ta. Noch bevor der Mann das erste Wort äußerte, überkam sie panikartige Angst. Warum nur hatte sie auf das Läuten reagiert?
    »So, schon zuhause?«, sagte die Stimme.
    Sie kannte den Mann nicht, hatte ihn noch nie gehört. Ihr Stimmengedächtnis war fotographisch gut, nichts an seinem Tonfall war ihr geläufig. Er hatte nichts Gutes im Sinn, von Anfang an klang ein spöttisch-drohender Unterton mit. Sie gab keine Antwort.
    »Sie werden hoffentlich gut nach Hause gekommen sein.«
    Ihre Hand zitterte, der Hörer drohte ihr zu entfallen. »Was wollen Sie?«
    Sie erschrak über ihre eigene Stimme, hatte Mühe, die Worte herauszupressen. Ihre Angst war nicht zu überhören.
    »Oho, wir machen auf Dummchen, wie? Nichts wissen, nichts hören, nichts sehen.«
    Er schwieg für fünf, sechs Sekunden, ließ Tannhäuser den Vortritt. Seine Drohung traf sie

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