Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
sie vorrätig hatte, alles in einem Gürtelsafe verstaut, den sie direkt auf dem Leib trug. Ein zweites Sortiment aus Kleidung und Schuhen, eine Flasche Wasser, Schreibzeug und Papier in ihrem kleinen Rucksack. Sie wunderte sich selbst, woher sie die Kraft nahm, alles so genau zu durchdenken.
    Auf der Straße ertönte ein Motor, dann ein startendes Fahrzeug. Sie musste sich beeilen. Michaela König nahm den Rucksack in die Hand, sah sich ein letztes Mal um. Das Chaos im Arbeitszimmer trieb ihr erneut die Tränen in die Augen.
    Sie schüttelte den Kopf, wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Das Dachfenster in der Toilette auf der rückwärtigen Seite des Hauses war ihre einzige Chance. Es ließ sich etwa dreißig Zentimeter weit öffnen, bot ihr die Möglichkeit, wie eine Schlange aufs schräge Dach zu kriechen.
    Sie zog den Rucksack hinter sich her, schnallte ihn draußen auf den Rücken, schob das Fenster, soweit es ging, wieder zu. Die Sonne wartete noch hinter dem Horizont, allzu lange würde es nicht mehr dauern und die ersten Strahlen beleuchteten das Dach. Dank seiner weit überstehenden Fläche war es vom Garten her nicht einzusehen.
    Sie robbte auf allen Vieren über die von Wind und Wetter gezeichneten schmutzig grau überzogenen Ziegel, überquerte das Nachbarhaus, das ohne Übergang unmittelbar angebaut war. Probleme konnte nur der Abstieg bringen.
    Sie erinnerte sich noch gut an jene Nacht vor wenigen Jahren, als sie nach ausgiebiger Kneipentour mit einem neuen Freund ihren Schlüssel nicht auftreiben konnte und sie auf die Idee verfallen waren, über die Balkonbrüstungen der Rückseite des Nachbarhauses in ihre Wohnung zu gelangen. In der Euphorie der freudvollen Erwartungen einer gemeinsamen Nacht hatte die Exkursion auf Anhieb geklappt, zumal alle Nachbarn längst zu Bett gegangen und ihr Dachfenster wie üblich einen Spalt breit geöffnet gewesen war.
    Jetzt aber, von oben, sah der zu bewältigende Abstieg weitaus unangenehmer aus. Sie ließ sich vorsichtig die flache Dachschräge herab, baumelte mit den Beinen über dem Abgrund, suchte mit den Füßen krampfhaft nach Halt.
    Irgendwo in den Wohnungen unter ihr rauschte die Toilettenspülung. Sie musste darauf achten, keinem der Nachbarn zu begegnen, um lautstarke Diskussionen zu vermeiden.
    Als ihre Füße endlich auf der Balkonbrüstung aufkamen, lief ihr der Schweiß über den ganzen Körper. Sie hangelte sich vorsichtig die Hauswand hinab, spähte nach unten. Nichts war zu hören und zu sehen, die Bewohner schienen noch zu schlafen. Vorsichtig bewältigte sie Stockwerk um Stockwerk, sprang dann vom untersten Balkon in den Garten, drückte sich an die Wand.
    Die Straße vorne verlief an dieser Stelle in einer leichten Krümmung, sodass sie gefahrlos, ohne die Befürchtung, von den Männern in dem dunklen BMW gesehen zu werden, aus der Hofeinfahrt auf den Gehweg treten konnte.
    Alles lag im sanften Schlummer, friedlich und ohne Lärm. Vögel zwitscherten, die Blätter der Bäume bewegten sich im kühlen Wind.
    Michaela König schlich die Straße entlang, schaute sich sorgsam nach allen Seiten um. Von vorne näherte sich langsam ein Fahrzeug. Sie spürte ihr Herz klopfen, fühlte die Angst. Es hatte keinen Sinn, die Straßen waren noch zu leer. Eine einzelne Person um diese Zeit würde auffallen, ganz gleich, wie sie sich bewegte.
    Sie sprang mehrere Meter zurück, warf sich hinter eine große Mülltonne, wartete, bis das Auto vorbei war. Es dauerte Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie musste zum Bahnhof, dann raus aus der Stadt. Ihr Ziel lag ihr klar vor Augen, sie würden nie darauf kommen.
    Der Alte Botanische Garten war ihre Rettung. Sie flüchtete sich hinter einen der Büsche, lehnte sich an einen Stamm, hörte das nicht weit entfernte Plätschern der Ammer, döste vor sich hin. Langsam belebte sich der Verkehr auf der nahen Wilhelmstraße, Motoren heulten auf, Fahrzeuge lärmten vorbei, die ersten Passanten eilten durch die Grünanlage.
    Michaela König schrak auf, als sie die Schritte hörte. Der große, schon frühlingshaft luftig gekleidete Mann querte den Park keine fünf Meter von ihr entfernt. Sie fuhr sich mit der Rechten übers Gesicht, folgte ihm mit ihrem Blick. Er trug eine dünne Aktentasche in der Hand, verschwand Richtung Hölderlindenkmal.
    Sie quälte sich mühsam hoch, zog ihre Hose zurecht. Die Sonne sandte jetzt zaghaft die ersten warmen Strahlen des Frühlingstages. Vögel zwitscherten, aromatischer Duft von

Weitere Kostenlose Bücher