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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Sicherheit bringen, als sie selbst zurückgeworfen wurde und mit dem Kopf gegen einen harten Gegenstand prallte. Sie spürte die Schmerzen in ihrem Schädel, hörte das Läuten des Telefons.
    Erschrocken schlug sie die Augen auf, fasste sich an den Hinterkopf. Die Schmerzen in ihr brannten wie ein mächtiges Feuer. Sie sah ihr zerstörtes Arbeitszimmer vor sich, fühlte die Tür in ihrem Rücken. Das hartnäckige Läuten des Telefons entriss sie vollends ihrem schlimmen Traum.
    »Noch dreißig Minuten«, erklärte die böse Stimme, als sie den Hörer in der Hand hielt, begleitet von wagnerianisch schweren Klängen, »ich hoffe, Sie haben das Material bereitgelegt?«
    Die Angst breitete sich wieder in ihr aus, wanderte durch den ganzen Körper. Ihr Hals war zugeschnürt, der Mund ausgetrocknet. Sie brachte keinen Ton über die Lippen.
    »Oder etwa nicht?«
    Der drohende Unterton ließ die Panik in ihr wachsen. Noch dreißig Minuten?
    »Sie wissen doch, was Ihrer Freundin passiert ist. Ruckzuck, vorbei. Wollen Sie, dass wir mit Ihnen dasselbe tun?«
    Sie schrie leise auf, hörte das Lachen des Mannes.
    »Na also, dann sind wir uns einig. Sie übergeben uns das Material. Und keine Tricks dabei! Vergessen Sie nicht, in wenigen Minuten wird die Polizei erfahren, dass Frau Litsche von Ihrem Auto überfahren wurde. Sie haben keine Chance.«
    Sie sah das startende Taxi, die Körper ihrer Freundin und des Taxifahrers, hörte den schrillen markerschütternden Schrei. Tränen liefen ihr über die Wangen, Tränen der Verzweiflung, Tränen der Angst.
    Plötzlich kam die Wut in ihr hoch, eine irrsinnige unbändige Wut.
    »Das Material«, erklärte der Mann, »können wir es abholen?«
    Sie wusste nicht, um was es ging, wusste nicht, wer die Verbrecher waren. Sie hatte keine Ahnung, womit Verena Litsche sich in den letzten Monaten so intensiv beschäftigt hatte. Sie wusste nur, dass sie sich jetzt zusammenreißen und die Angst, diese schreckliche, alles erdrückende Angst beiseiteschieben musste, wenn sie den Hauch einer Chance bewahren wollte, nicht auch noch Opfer dieser kriminellen Bande zu werden. Trauer, Schock, Verzweiflung, alles zu seiner Zeit, nur nicht jetzt. Nicht jetzt, in dieser Minute.
    Für den Bruchteil einer Sekunde kamen die Erinnerungen an schlimme Momente in ihrer kurzen Internatszeit in ihr hoch, in denen Mitschülerinnen wie eine verschworene Meute über sie hergefallen waren und sie in einem Alptraum aus Angst und Verzweiflung zu ersticken drohten. Irrsinniger bestialischer Hass über die Brutalität ihrer Peinigerinnen hatte sie jedes Mal aus der scheinbar unentrinnbaren Zwangslage befreit, ein Hass, der irgendwo in ihr verborgen ruhte und nur in Situationen höchster Bedrohung zum Ausbruch kam.
    Sie wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, versuchte, sich auf den Mann am Telefon zu konzentrieren.
    »Sind wir uns einig?«, übertönte er Wagners Donnerhall.
    »Also, was ist los?«
    Sie holte tief Luft, hustete sich den Angstkloß aus dem Hals. »In zwanzig Minuten, okay?«, hörte sie ihre eigene Stimme, zittrig noch und verkrampft, aber weitaus sicherer als ihr selbst zumute war. Sie musste die Angst besiegen, es war ihre einzige Chance.
    »Keine Sekunde später«, bestätigte der Mann, »unsere Leute stehen vor der Tür.«
    Sie legte das Telefon auf seinen Platz, erhob sich schwerfällig, löschte das Licht. Der neue Tag machte sich immer deutlicher bemerkbar.
    Michaela König lief auf Zehenspitzen in ihr Schlafzimmer, spähte nach draußen. Ihr Auto war immer noch verschwunden, an seiner Stelle parkte der dunkle BMW mit den beiden Männern, den sie vor wenigen Stunden bereits bemerkt hatte.
    Sie waren wach, starrten in die Richtung ihres Arbeitszimmers. Ob sie trotz der Drohungen des Verbrechers bei der Polizei anrufen und um Hilfe bitten sollte?
    Sie überlegte nicht lange, entschied sich impulsiv dagegen. Was sollte ein Anruf bringen, wenn wieder die beiden Idioten von vorhin am Apparat waren? Plötzlich fiel ihr ein, wie sie unbeobachtet verschwinden und wo sie Zuflucht finden könnte.
    Sie bewegte sich vorsichtig vom Fenster weg, riss sich die verschwitzten Kleider vom Leib, duschte sich im Bad den Angstschweiß weg.
    Innerhalb weniger Minuten war sie frisch angezogen. Schwarze Jeans, ein graues unauffälliges Sweat-Shirt, dunkelbraune Lederjacke, stabile Sportschuhe. Ihre Schlüssel, Ausweise, das Verzeichnis ihrer Guthaben bei der Bank, Scheckkarte, Adressenliste, das gesamte Bargeld, das

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