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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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des Fotos mit dem Minister und den Kindern fragen.
    Vernehmung des Ministers.
    Vernehmung?
    Braig malte ein dickes Fragezeichen hinter die Notiz, strich diese dann kreuz und quer durch, ersetzte sie durch Gespräch mit dem Minister.
    Ob es überhaupt einen Sinn hatte, den Mann aufzusuchen?
    Er dachte an seine bisherigen Begegnungen mit einflussreichen Politikern: An Hagele, den Ministerialdirigenten etwa, den er vor ein paar Jahren in dessen festungsartig abgeschirmter Villa unweit des Ludwigsburger Schlossparks aufgesucht und auf seine Kontakte zu einer im jugoslawischen Bürgerkrieg tätigen Mörderbande befragt hatte. Die personifizierte Arroganz war ihnen begegnet, erinnerte sich Braig, ein eiskalter Politprofi, der alles tat, ihn die Einflussmöglichkeiten seines Amtes spüren zu lassen, um ihn von weiteren Ermittlungen abzuhalten. Es hatte ihm nichts genutzt. Trotz seiner Gegenwehr war es ihnen gelungen, seine Beteiligung an den Verbrechen zu belegen.
    Oder Orchitis, ein Kollege Hägeies, nicht weniger arrogant, noch windschnittiger und stromlinienförmiger, dazu verlogener und ebenso dreist im Einsatz seiner Mittel. Orchitis, das Ekelpaket, das er und seine Kollegin Neundorf nur so zu ertragen wussten, dass sie sich bei jeder Begegnung mit dem schleimigen Widerling die Bedeutung seines aus dem Lateinischen stammenden Familiennamens in Erinnerung riefen: Orchitis = die Hodenentzündung.
    Warum hatte Braig bei so vielen Politikern den Eindruck, dass es sich bei ihnen um besonders schmierige, anbiedernde, hohltönende, ja, verlogene Personen handelte? Zog es vor allem Menschen mit ausgeprägten charakterlichen Defiziten in diese Profession oder war es der Beruf, der normale Existenzen zu Polit-Monstern verformte?
    Braig dachte an die unerbittlichen, jede Persönlichkeit verändernden Rituale, denen Politiker Tag für Tag unterworfen waren, an die Kameras und Mikrofone sensationsgeiler Medien, deren Vertreter ungeachtet des Wahrheitsgehaltes ihrer angeblichen Information oft nur das Ziel hatten, mit immer neuen, oft abstrusen Provokationen und Enthüllungen auf ihr Blatt bzw. ihren Sender aufmerksam zu machen. War es nicht völlig normal, dass Menschen, die täglich solchen Mediengewittern ausgeliefert waren, zu unsensiblen, nur an Äußerlichkeiten hängenden Showmastern mutierten? Das 114
    Polit-Chamäleon als Preis, den die Gesellschaft der Medien-Demokratie zahlte?
    Nein, er durfte sich nicht zu viel versprechen von dem Gespräch oder der Vernehmung des Ministers. Wenn der Mann wirklich mit den Morden zu tun hatte, vielleicht gar ihr Auftraggeber war, mussten sie andere Wege finden, ihm die Verbrechen nachzuweisen. Auf ein freundliches Gespräch oder ein Geständnis zu hoffen, bedeutete Blauäugigkeit pur. Vielleicht hatten sie Glück und die flüchtige Frau König war in die ganze Angelegenheit involviert. Dann war es nur eine Frage der Zeit, bis die Frau ihnen endlich in einen ihrer hunderttausend ausgestreckten Fangarme lief.

17. Kapitel
    Das erste Fahndungsplakat in Stuttgart fiel ihr schon in der S-Bahn-Station in die Augen. Michaela König war in Herrenberg umgestiegen, hatte die S 1 genommen und war direkt zur Schwabstraße gefahren. Als sie den Bahnsteig der unterirdischen Haltestelle betrat, sah sie ihr Konterfei auf dem Glas des Servicehäuschens mitten in der Station. Erschrocken machte sie einen großen Bogen um das Plakat, lief in der falschen Richtung aus dem Bahnhof.
    Die Rolltreppe am oberen Ausgang der Haltestelle schien endlos in die Höhe zu schweben. Als sie das nächste Stockwerk endlich erreicht hatte, sah sie das Telefon.
    Michaela König wusste genau, was sie vorbringen musste, um schnell zu ihm durchzukommen. Er meldete sich sofort, nachdem die Sekretärin das entscheidende Stichwort gehört hatte.
    »Er ist tatsächlich zu sprechen, der hohe Herr«, spottete sie.
    »Ich warte auf einen dringenden Anruf.«
    »Der findet gerade statt.«
    »Das ist richtig, ja. Wo bist du?«
    »Nicht weit von der Hasenbergsteige.«
    »Oh.« Er konnte seine Überraschung nicht verbergen.
    »Ist die Wohnung frei?«
    »Du willst bleiben?«
    »Ich habe Probleme, ja.«
    »Für dich immer. Der Code ist unverändert.«
    »Tatsächlich?« Sie lachte laut. »Und was sagen deine Neuen dazu?«
    Im Abstand von wenigen Metern schlenderte ein etwa 40jähriger, mit einer dunklen Jeansjacke bekleideter Mann vorbei, betrachtete sie auffallend neugierig. Michaela König verstummte augenblicklich, drehte sich von dem

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