Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
Brüstung geklettert und mit einem Bein in der Luft. Der Kommissar erkannte ihn sofort, hatte er das Gesicht doch seit gestern zumindest als Foto unablässig vor Augen gehabt – jetzt beim Sprung schien der flüchtige Mann allerdings um Jahre gealtert. Der Albaner stieß sich genau in dem Moment endgültig von der Fensterkante ab, als die barschen Stimmen im Zimmer unmittelbar hinter ihm zu hören waren. Laut schreiend flog er durch die Luft, prallte dann mit einem harten Schlag ungeschützt auf die Platten des Bürgersteigs. Entsetzensschreie, schrilles Kreischen aus der Umgebung, verzweifelte Rufe, für einen Augenblick bleierne Stille.
    Braig löste sich als erster aus seiner Erstarrung. Er stürzte auf den Mann zu, der in seltsam verkrümmter Haltung auf dem Boden lag, hörte dessen Stöhnen. Der Verunglückte lebte noch.
    Braig schaute sich um, sah den uniformierten Beamten mit schreckensbleicher Miene auf sich zukommen. »Braig vom LKA«, rief er, »wer ist hier der Einsatzleiter? Haben Sie einen Arzt?«
    Der Beamte zuckte hilflos mit der Schulter, zeigte nach vorne. »Ich, ich …«
    Braig riss sein Handy aus der Tasche, wählte den Notruf, rief nach einem Arzt, gab die Adresse und seine Personalien durch. »Schnell, verdammt schnell«, brüllte er in den Apparat.
    Schritte, eine herrische Stimme über ihm. Er sah auf, erkannte den Kollegen sofort.
    »Scheiße, was?«, brummte Kurt Kälberer. »Springt der Idiot aus dem Fenster.« Er schüttelte den Kopf. »Braucht ihr ihn lebendig?«
    Das Stöhnen des Verunglückten wurde lauter. Braig erhob sich, betrachtete stirnrunzelnd den Kollegen. Kälberer war für sein ungehobeltes Auftreten bekannt. Natürlich brauchten sie den Mann lebendig. Wie sollte ein Toter den Minister als Auftraggeber identifizieren?
    Bevor Braig antworten konnte, läutete sein Telefon. Er nahm das Gespräch an, kannte die Stimme nicht.
    »Hier ist das Städtische Krankenhaus …«
    »Mein Gott, was soll das?«, unterbrach er den Mann, »wir brauchen einen Arzt, hier, in der Bahnhofstraße.«
    »Arzt?«, antwortete der Mann. »Ja, die Ärztin will sie sprechen. Ich verbinde.«
    »Sie will mich sprechen?«, Braigs Stimme drohte sich zu überschlagen. Bevor er loslegen konnte, war die Frau schon in der Leitung.
    »Mein Name ist Ohlrogge. Ich bin die Stationsärztin …«
    Braig hörte die Sirene des Krankenwagens, sah das Fahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht auf die Unfallstelle zu rasen. Die uniformierten Polizisten, die das Gebäude verlassen hatten, traten zur Seite.
    »Ich spreche mit Herrn Braig?«
    Er begriff überhaupt nichts mehr.
    Das Auto bremste abrupt ab, Arzt und Sanitäter sprangen auf die Straße. Braig hörte immer noch die Stimme aus dem Handy. »Bitte, spreche ich mit Herrn Steffen Braig?«
    »Was soll das?«, blaffte er verärgert zurück. »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Ihre Mutter«, erklärte die Frau, »sie hatte einen Herzanfall, wahrscheinlich einen Infarkt. Sie liegt bei uns auf der Station. Wir können für nichts garantieren. Sie sollten so schnell wie möglich kommen.«

21. Kapitel
    Die tageszeitung lag in Stuttgart an vielen Presseverkaufsständen aus. Michaela König schlich mit geducktem Kopf vom Grundstück, folgte der Hasenbergsteige und der Hohentwielstraße, versuchte, trotz des wolkenverhangenen Himmels den Ausblick auf die Umgebung wahrzunehmen. Die prächtigen, kleinen Schlössern ähnlichen Komplexe oberhalb der Straße gehörten zu den schönsten Gebäuden, die Stuttgart zu bieten hatte.
    Sie betrachtete die Häuser, erinnerte sich an die Zeit, als er ihr voller Stolz die Umgebung präsentiert hatte. Jedes Gebäude ein kleines Juwel, eingebettet in eine parkähnliche Gartenlandschaft, die sich bis ins dicht besiedelte Tal erstreckte.
    Als sie die steil abfallende Taubenstaffel erreicht hatte, begann es heftig zu regnen. Sie duckte sich unter einen alten, leicht verbogenen Schirm, den sie in der Kleiderablage in der Diele entdeckt hatte, stieg langsam die Stufen hinab. Keine fünf Minuten später war sie in der Möhringer Straße angelangt.
    In Heslachs Zentrum herrschte wie immer dichter Verkehr. Der Himmel hatte sich wieder beruhigt, die Sonne strahlte gleißend hell. Michaela König besorgte sich die aktuelle Ausgabe der tageszeitung, lief zu den Telefonzellen auf dem Platz vor der Matthäuskirche, weil die beiden Häuschen am unteren Ende der Taubenstaffel leider defekt waren, wählte die Nummer der Chefredaktion. Sie hatte die ganze Nacht fest

Weitere Kostenlose Bücher