Schwaben-Hass
Wind aus den Segeln nehmen wollte. Braig musste sich in Acht nehmen, ihm nicht zu viel Vertrauen entgegen zu bringen.
»Wir ermitteln im Fall der ermordeten Journalisten«, erklärte Hofmann, »Breidle, Nuhr und Litsche. Darf ich voraussetzen, dass Sie über die aktuellen Vorgänge informiert sind?«
Der Minister nickte. »Soweit ich mir aus den Zeitungen ein Bild darüber verschaffen konnte, habe ich das getan.«
Hofmann stellte die Zusammenhänge zwischen Nuhr und Litsche, soweit sie bisher recherchiert waren, dar, versuchte, auf die von ihnen vermuteten Hintergründe einzugehen. »Für uns erhob sich der Verdacht, dass einige dieser Vorgänge – ich sage es gerade heraus – mit Ihrer Person zu tun haben könnten.«
»Mit mir?«
War es schauspielerisches Talent? Die Überraschung wirkte echt. Braig musterte ihn angestrengt, sah, wie sich seine Stirn mit Falten überzog.
»Was wir Ihnen jetzt mitteilen, weiß nur eine Handvoll ausgewählter Personen. Sie werden verstehen, dass wir keinem Pressevertreter auch nur die geringsten Andeutungen zukommen ließen.«
Hofmann nickte dem Kommissar zu, wartete auf die Reaktion des Politikers. Braig zog das Couvert aus seiner Tasche, legte drei Fotos nebeneinander auf den Tisch.
Der Minister erbleichte augenblicklich, starrte entsetzt auf die Bilder. Braig und Hofmann ließen ihm Zeit.
»Darf ich fragen, woher Sie das haben?« Er hatte Mühe, sich verständlich zu machen. Seine Stimme klang gepresst.
»Harry Nuhr, der ermordete Journalist«, sagte Braig. »Ich habe sie persönlich bei ihm gefunden.«
»Das ist eine Manipulation. Alles, was mir wertvoll ist, ich versichere Ihnen, das sind Fälschungen.«
Braig sah, wie die Finger des Mannes zitterten. »Sie sehen die Fotos zum ersten Mal?«
Der Minister nickte. »In der Tat, ja.« Er schwieg einen Moment, schüttelte dann schwer atmend den Kopf. »Gibt es eine Möglichkeit, die Fälschung nachzuweisen?«
»Schwierig. Sehr schwierig. Wir versuchen es seit Tagen.«
Der Mann erhob sich, lief zu seinem Schreibtisch am anderen Ende des Raumes, dann wieder zurück. »Entschuldigen Sie bitte. Ich muss versuchen, mich zu beruhigen.«
»Das ist nicht alles«, sagte Braig. »Bei Hans Breidle, der einige Stunden vor Nuhr getötet wurde, fanden wir eine umfangreiche Materialsammlung. Zeitungsartikel, Kritiken, private Recherchen. Zielpunkt der Papiere: Eine einzelne Person.« Er hatte den Mann die ganze Zeit beobachtet, ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen.
Der Minister folgte seinen Worten mit unverminderter Aufmerksamkeit, begriff sofort. »Ich.« Er sagte das Wort im sachlich feststellenden, nicht im fragenden Tonfall.
Hatte er von Breidles Aktivitäten gewusst? War ihm in höchster Bedrängnis der verheerende Einfall gekommen, den Mann zu töten?
Braig nickte. »Wir haben den Eindruck, dass der Reporter eine groß angelegte Kampagne gegen Sie plante. Offensichtlich stand er kurz davor, das Material zu veröffentlichen.«
Der Minister stützte sich auf die Lehne des Sessels, holte tief Luft. »Darf ich den Inhalt der Papiere wissen?«
»Ich wüsste nichts, das dagegen spricht«, sagte Hofmann, ermunterte Braig mit einem Kopfnicken, den Mann zu informieren.
»Alles, was sich im Verlauf eines Lebens so ansammelt und entsprechend aufbereitet dazu benutzen lässt, eine Karriere zu zerstören«, erklärte der Kommissar. »Vorgänge und Verhaltensweisen, die einzeln gesehen vielleicht nicht einmal besonders ins Gewicht fallen würden. Kombiniert man sie aber, setzt man sie – in zugegebenermaßen bösartiger Absicht – miteinander in Verbindung, sozusagen als roten Faden eines Politikerlebens, können sie vernichtende Wirkung zeigen. Jedenfalls im Licht der Öffentlichkeit.«
»Ich verstehe.« Der Politiker stützte sich noch immer, den Kopf nach vorne gestreckt, auf den Sessel. »Was ist mit diesen ekelerregenden Bildern – Kindersex, so ist das wohl zu bezeichnen, ja?«
Braig nickte.
»Fanden sich Vorwürfe dieser Richtung in dem gesammelten Material?«
»Nein.«
»Nicht?«, der Minister wirkte überrascht.
War es Schau? Hatte er es gewusst?
»Dann kommen die Angriffe von verschiedenen Seiten.« Er lief um den Sessel, ließ sich langsam, wie in Zeitlupe, nieder.
»Ein dritter Punkt«, erklärte Braig, »der mutmaßliche Mörder Nuhrs. Ein Albaner, namens Hasim Foca. Er wird seit Jahren wegen mehrerer Morde in Italien gesucht. Bezahlte Morde. Alles deutet darauf hin – im Auftrag eines italienischen
Weitere Kostenlose Bücher