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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Adenauerbrücke.«
    Braig kannte die innenstadtnahen Bereiche Esslingens, wusste in etwa, was der Mann andeutete. »Sie haben sein Kenzeichen?«
    Bareiss wirkte mit einem Mal völlig niedergeschlagen. »Tut mir leid«, sagte er dann in gedämpftem Ton, »es war mitten in der Nacht, total dunkel, dazu die Hektik. Ich war überhaupt nicht auf so etwas vorbereitet und dann fuhr der Kerl auch noch ohne Licht, und der Abstand war einfach zu groß …«
    Wäre auch zu schön gewesen, überlegte Braig, zu einfach, zu nah an der Lösung des Falles.
    »Ein S«, fuhr Bareiss fort, »auf jeden Fall ein Stuttgarter Wagen, da bin ich mir sicher. Aber das nützt Ihnen nichts, ich weiß. Davon gibt es einfach zu viele.« Er verstummte, wirkte frustriert, hatte allen Elan verloren. »Und ich kann ihn nicht einmal richtig beschreiben, den Kerl«, setzte er dann von Neuem an. »Es ging einfach alles viel zu schnell. Aber er ist nicht allzu groß und kräftig, ja, und er hat ein breites Gesicht. Und auf seinem linken Backen einen Pickel oder eine Warze, irgend so etwas.«
    »Das haben Sie so genau gesehen?«, fragte Braig überrascht.
    »Ich würde es Ihnen sonst nicht erzählen«, antwortete der Mann in beleidigtem Ton. »Mein Gedächtnis ist gut.« Er hustete, hielt sich die Hand vor den Mund. »Und er roch nach Rasierwasser. Ekelhaft penetrant …«, setzte er hinzu. »Aber das nützt Ihnen nichts.«
    »Nach Rasierwasser?« Braig fühlte sich elektrisiert, wagte kaum zu atmen. Handelte es sich tatsächlich um denselben Täter?
    Bareiss nickte. »Hier stank alles danach. Als ich ihn beinahe erwischt hätte, meine ich. Und dort, wo er über die Straße rannte.«
    »Was ist mit der Frau?«
    »Mit der Frau?« Bareiss fand zu seiner alten Lebendigkeit zurück. »Das ist es ja. Die ist weg. Verschwunden.«
    »Seit wann?«
    »Seit wann?« Der Mann schüttelte energisch den Kopf. »Was wollen Sie? Ich fuhr dem Kerl hinterher, von einer Straße in die andere, verlor ihn irgendwann aus den Augen, ich erwähnte es ja schon, kam nach einer Weile hierher zurück. Nach fünf oder vielleicht auch zehn Minuten, ich weiß es nicht. Sie war weg, spurlos verschwunden.«
    »Sie haben sich nicht gewundert?«
    »Gewundert?« Bareiss holte tief Luft. »Gewundert, Sie sind gut. Ich rannte hier in der Gegend rum, fuhr dann die Straßen in der Umgebung ab und suchte nach ihr. Nichts. Überhaupt nichts. Keine Spur von ihr. Sie war weg.«
    »War sie noch fähig, zu laufen? Ich meine, konnte sie aus eigener Kraft von hier verschwinden?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich habe nur gesehen, wie der auf sie einschlug. Und als ich vor ihr stand? Sie kniete auf dem Boden und schrie. Vor Schmerzen, denke ich. Ich bückte mich, versuchte ihr zu helfen. Sie stieß mich weg. Was soll ich sagen? Ich weiß es nicht.«
    »Und der Täter?«, fragte Braig. »Kann er hierher zurück gekommen sein und sie in seinen Wagen gezerrt haben, um seine Spuren zu verwischen? In der Zeit, als Sie ihn aus den Augen verloren hatten?«
    »Der Täter?« Bernhard Bareiss schien die Sprache verloren zu haben. Diese Möglichkeit hatte er offensichtlich noch nicht bedacht. »Das kann nicht sein«, sagte er dann nach einigem Zögern. »Das ist unmöglich.«
    Braig betrachtete sein Gegenüber mit nachdenklicher Miene. »Er kann nicht hierher zurückgekehrt sein?«
    Der Mann im hellen Anzug schluckte heftig. »Warum soll der noch mal hierher kommen? Weshalb?«
    Der Kommissar blieb ruhig, dachte über die seltsame Situation nach, in die er hier geraten war. Ein Überfall – ganz nach dem Muster der vergangenen Wochenenden, diesmal aber ohne Opfer. Wo war die Frau? Wieso war sie verschwunden? Bareiss behauptete, unmittelbar nach seiner Rückkehr die Umgebung nach ihr abgesucht zu haben. Wieso hatte er sie – eine seinem Bericht nach erheblich verletzte Frau – nach den wenigen Minuten, die er sich von hier entfernt hatte, nicht mehr gefunden? Weil sie hier in der Nähe wohnte?
    Braig schaute auf die andere Seite der Straße, sah die Häuser. Das war natürlich möglich, erklärte auch, weshalb sie hier so spät noch unterwegs gewesen war. Weshalb aber hatte sie diese Straßenseite benutzt, mitten in der Nacht, allein, wo nur die leeren Gebäude verschiedener Firmen standen, warum war sie nicht auf den Gehweg auf der anderen Seite der Fahrbahn gewechselt, unmittelbar an den Häusern, wo ein Echo auf etwaige Hilferufe viel schneller zu erwarten war als hier? Mitten in der Nacht, allein, als Frau?

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