Schwaben-Liebe
10.000. Ich denke, das ist fair. Für mich ist es nämlich sehr viel, aber für dich ist es akzeptabel. Du hast einen Beruf, dein Mann verdient ganz gut. Also, das tut dir nicht weh
.
Wie die 10.000 Euro zu mir finden?
Ganz einfach: Du hast genau acht Tage Zeit, das Geld zu besorgen, dann wirst du meine Vorschläge erhalten, wie die Scheine zu mir kommen. Und wie gesagt: Keine Tricks! Sonst: Das Internet, du verstehst? Diese Seiten würden
der
neue Renner
…
P.S: Ich denke gerne an unsere gemeinsamen Stunden zurück, sehr gerne!
Sie ließ das Blatt fallen, fing hemmungslos an zu heulen. Wie hatte das nur passieren können? Auf welchen Dreckskerl war sie da hereingefallen? Ein einziger schwacher Moment – und jetzt?
Schluchzend hing sie über dem Tisch, fand erst wieder halbwegs zu sich, als das Telefon läutete. Zwei Mal, drei Mal, vier Mal. Als es zum fünften Signalton ansetzte, erhob sie sich, schlurfte schwerfällig zur Anrichte, griff nach dem Hörer. »Ja?«
Irgendeine unbekannte Männerstimme schwadronierte von viel zu hohen Energiepreisen, ließ sich über die Unverschämtheit verschiedener Konzerne aus, die nur die armen kleinen Verbraucher abzocken wollten, und kam dann auf den Punkt, dass nämlich jetzt endlich die Gelegenheit gekommen war, es diesen Konzernen heimzuzahlen.
»Wie bitte?«, fragte sie.
»Ja, liebe Frau Geible, ich kann Ihnen jetzt ein phänomenales Angebot machen, was Ihren Strompreis anbetrifft«, quacksalberte der Mann. »Bei uns zahlen Sie unglaubliche 20 Prozent weniger als bisher. Bar auf die Hand! Ist das nicht irre?«
»Wer sind Sie?« Sie war zu benommen, das Anliegen des Anrufers zu erfassen, hörte nur immer wieder »billigerer Strom«, legte einfach auf. Sollten sie sich doch ein anderes Mal melden, wenn es wirklich nötig war.
Sie lief zum Tisch zurück, sah die beiden Fotos vor sich, spürte die Gänsehaut, die ihr kalt über den Rücken lief. Zwei Mal ihr Gesicht in Großaufnahme. Zwei Mal in Augenblicken höchster Wonne. Der Mund und die Augen bis zum Geht-nicht-mehr aufgerissen, die Person, um die es sich handelte, dennoch deutlich zu erkennen. Ekstase pur. Auf dem zweiten Foto der Grund ihrer Erregung: Die Rückansicht eines muskulösen jungen Mannes, sein Kopf auf ihrem Busen, andere Körperpartien ineinander verkeilt. Eindeutiger ließ sich die Sache nicht zum Ausdruck bringen.
Sie spürte, wie ihr schwach wurde, ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Das ganze Zimmer schien sich um sie zu drehen. Sie klammerte sich am Tisch fest, wusste, dass sie zahlen musste. Manfred durfte nichts davon erfahren. Niemals. Auch wenn es sich nur um eine einzige Nacht handelte, um wenige Momente dieser Nacht, um es genauer zu sagen, es musste verborgen bleiben. Niemals zuvor hatte sie sich so gehen lassen, sich kein einziges Mal während ihrer Ehe auf ein Techtelmechtel mit einem anderen Mann eingelassen, nur jetzt vor vierzehn Tagen. Warum nur, weshalb?
Das langsame Sterben ihrer Schwester, über Monate hinweg dem Krebs ausgeliefert, hatte sie zu stark mitgenommen. Ihr inniges Verhältnis, weit über Kindheit und Jugend hinaus …
»Du erzählst Iris weit mehr als mir«, hatte Manfred manchmal scheinbar scherzhaft geäußert, wohl selbst einen Funken Wahrheit in seinen Worten vermutend.
Und dann war es auf einmal vorbei gewesen, aus und vorbei, für immer, und an ihr war es hängen geblieben, den Rest der irdischen Überbleibsel ihrer Schwester endgültig zu beseitigen. Der Tag der Wohnungsauflösung, er hatte sie mitgenommen wie selten ein Ereignis im Leben. Ausgebrannt und verstört, im tiefsten Inneren getroffen war sie am späten Abend ins Hotel zurückgekehrt. Und dann ihr Telefonat mit Manfred, sie erinnerte sich noch gut an seine Worte.
»Schließe dich noch nicht in deinem Zimmer ein«, hatte er ihr empfohlen, »gönne dir noch eine oder zwei Stunden an der Bar. Geh noch etwas unter Menschen, du brauchst das.«
Warum hatte sie auf ihn gehört?
Sie musste zahlen, es gab keine Alternative. Wenn Manfred die Fotos zu sehen bekam …
Nein, niemals!
Nur, woher das Geld nehmen?
Es gab nur eine Möglichkeit, sie wusste es sofort. Iris’ Vermächtnis, die kleine Summe, die sie ihr hinterlassen hatte. Etwas mehr als 6.000 Euro, alles andere war für die Erledigung der letzten Dinge benötigt worden. Etwas mehr als 6.000 Euro, sie hatte den Kontoauszug selbst gesehen.
»Wir besorgen ihr einen schönen Grabstein und legen den Rest aufs Sparkonto«, hatte sie Manfred
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