Schwaben-Liebe
mehr erleben. Er ist ein großes Schwein.«
Das Bild wechselte erneut, zeigte wieder das alte Motiv. Ein dunkles Auto kam den holprigen Weg entlang, machte unmittelbar vor dem Gebäude Halt. Ein älterer Mann stieg aus, lief zu dem Haus, läutete. Der grobschlächtige Typ öffnete, wechselte ein paar Worte mit dem Mann, nahm dann Geldscheine in Empfang. Kurz darauf trat der Neuankömmling ins Haus.
Wenige Minuten später derselbe Vorgang. Wieder eine größere dunkle Limousine, diesmal ein jüngerer Mann. Dieselbe Zeremonie. Läuten, Begrüßung, Geldübergabe, Eintritt ins Haus.
»Nimm eines dieser jungen Wesen hier in den Arm und schaue in seine vor Dankbarkeit leuchtenden Augen – das wirst du dein ganzes Leben nicht vergessen!«, war plötzlich Bittlers Stimme aus dem Hintergrund zu hören. »Diese jungen Menschen haben mich die Liebe wieder neu gelehrt.«
Erneut der grobschlächtige Typ, wieder zwei Mädchen vor sich ins Haus begleitend, ein Wagen nach dem anderen den holprigen Weg entlangfahrend. Das Bild hin und her schwankend, die Kamera auf die ankommenden Autos und ihre Kennzeichen fokussiert, dann die Gesichter der aussteigenden Männer auf den Bildschirm zoomend. Fahrzeuge aus den verschiedensten Ländern. Russische, polnische, deutsche. Junge Männer, ältere, dazwischen zwei greisenhafte Gestalten. Und plötzlich, mit heftig wackelndem, unstet hin und her schwankendem Bild, kurz deutlich zu erkennen, dann wieder leicht verwischt, das Profil eines Mannes, sein Auto verlassend und energischen Schrittes auf das Haus zueilend, das jedem, der den Film verfolgt hatte, zur Genüge bekannt war. Dazu seine Stimme aus dem Off: »Mein Name ist Thomas Bittler. Sie kennen mich wahrscheinlich. Die Kinder sehnen sich nach nichts mehr als nach Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebe. Nimm eines dieser jungen Wesen hier in den Arm und schaue in seine vor Dankbarkeit leuchtenden Augen – das wirst du dein ganzes Leben nicht vergessen! Diese jungen Menschen haben mich die Liebe wieder neu gelehrt.«
32. Kapitel
Thomas Bittlers Dementi war laut und deutlich ausgefallen. Nein, so ungeheuerlich diese Vorwürfe auch seien, er wolle dennoch sofort darauf eingehen. Er habe weder Tobias Hessler noch Fred Stiegelmaier getötet. Das sei überhaupt nicht möglich gewesen, habe er sich doch nachweislich sowohl zum Zeitpunkt des Todes von Herrn Hessler als auch dem von Herrn Stiegelmaier in der Ukraine in seinem Waisenhaus aufgehalten. Dafür könne er mehrere Zeugen aufbieten, deren Namen er gerne nenne, zudem habe er hier als Beweis seine Flugtickets von der Hin- und Rücktour, äußerte der Mann am Mittwochmorgen auf einer eigens in Stuttgart in seiner Villa kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Bei der ganzen Aktion handele es sich um nichts anderes als eine Intrige seiner politischen Gegner, aber deren Methode kenne man ja. Mehr habe er nicht mitzuteilen.
»Ist das nicht seltsam?«, hatte Braig sich gewundert. »Der Mann wird des systematischen Missbrauchs von Minderjährigen bezichtigt und äußert sich dazu mit keinem Wort?«
So sehr Söderhofer sich dagegen sträubte, sah er sich dennoch dazu gezwungen, Ermittlungen wegen des Verdachts des Missbrauchs von Minderjährigen gegen Bittler einzuleiten. Der Druck der Öffentlichkeit nach der Präsentation von Teilen des Films in den Medien war zu stark.
»Unsere Telefone stehen nicht mehr still«, hatte Braig ihm erklärt. »Die Journalisten wollen wissen, was wir von den Aufnahmen halten. Was soll ich antworten?«
»Nur keine voreiligen Schlüsse«, hatte der Staatsanwalt geantwortet. »Noch ist nicht geklärt, ob die Aufnahmen wirklich authentisch sind. Sie wissen selbst, wie leicht es heute möglich ist, einen Film zu manipulieren. Herr Bittler ist politisch sehr engagiert. Können Sie ausschließen, dass es sich um eine Intrige seiner Gegner handelt?«
Das hättest du wohl gerne, war es dem Kommissar durch den Kopf gegangen, schließlich handelt es sich bei dem Mann um deinen Parteifreund. Er hatte sich aber jede Bemerkung erspart und das Gespräch beendet, um sich seiner Arbeit zu widmen.
Die Überprüfung der am frühen Morgen endlich von den betroffenen Telefongesellschaften übermittelten Gesprächsverbindungen Stiegelmaiers brachte keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Braig, Neundorf und Stührer arbeiteten die Telefonate der letzten Tage nacheinander ab und unterhielten sich mit den Gesprächspartnern des Mannes, die sie erreichen konnten. Kein einziger
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