Schwaben-Liebe
Rebekka Fromms schmachvollen Karriereknick betraf. An der üblen Intrige, der die Frau zum Opfer gefallen war, trug nicht allein Stiegelmaier, sondern in ganz besonderem Ausmaß Carolin Köhler schuld. Sie hatte sich, daran gab es für Neundorf keinen Zweifel mehr, der kriminellen Machenschaften des Mannes bedient und ihn in nicht weniger menschenverachtender Weise für ihre eigenen Zwecke eingespannt. Es war müßig, darüber zu spekulieren, wer im Fall Rebekka Fromms den schlimmeren Part übernommen hatte, ob Fred Stiegelmaier oder Carolin Köhler – beider Verhalten war vollkommen indiskutabel und strafrechtlich zu ahnden.
Neundorf hatte unmittelbar nach der von Rössle präsentierten Dokumentation des Gesprächsmitschnitts des Ermordeten den zuständigen Staatsanwalt Bockisch verständigt und die Verhaftung Carolin Köhlers beantragt. Bockisch war ihrem Ansinnen nach kurzer Anhörung ohne jedes Bedenken gefolgt und hatte beim Ermittlungsrichter um die Festnahme der Frau nachgesucht; er kannte die Kommissarin zur Genüge, hatte jahrelang in gegenseitiger Wertschätzung mit ihr gearbeitet.
Blieb nur zu klären, ob Carolin Köhler entgegen dem Alibi, das ihr Freund Neundorf gegenüber persönlich bestätigt hatte, auch für den Tod Stiegelmaiers verantwortlich war. Hatte der Erpresser als gefährlicher Mitwisser einer skrupellosen Intrige sterben müssen?
Sie fand keine Zeit, darüber nachzudenken, lief ihr doch auf dem Weg zu ihrem Büro Braig in die Arme. Sie hatten sich am vorvergangenen Wochenende mit ihren Familien privat getroffen, seither aber nicht mehr miteinander gesprochen. Neundorf begrüßte ihn, merkte an seiner Körperhaltung, dass er in Eile war.
»Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen«, erklärte er, »hast du dein Handy …«
»Tut mir leid«, antwortete sie. »Ich hatte ein wichtiges Gespräch und jetzt auch noch eine erste Festnahme.«
»Eine Festnahme im Fall Stiegelmaier?«, fragte Braig überrascht.
»Ja«, bestätigte sie, »ob es mit seinem Tod zu tun hat, kann ich aber noch nicht sagen.«
»Das kommt jetzt doch etwas unverhofft«, bekannte er. »Ich bin nämlich gerade unterwegs nach Ludwigsburg. Mario ist bei Stiegelmaiers Mutter. Er scheint etwas Wichtiges entdeckt zu haben.«
»Aupperle ist bei Stiegelmaiers Mutter? Was habt ihr mit dem Mann zu tun?«
»Das ist es ja«, antwortete Braig. »Deshalb wollte ich dringend mit dir sprechen.« Er warf einen Blick auf seine Uhr, überlegte kurz, schlug ihr dann vor, ihn zu begleiten. »Wenn es irgend geht, komm doch mit. Mario machte es sehr wichtig, ich glaube, der ist wirklich auf einen entscheidenden Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Tod Stiegelmaiers gestoßen.«
Neundorf sagte unter der Bedingung zu, dass sie kurz an einer Bäckerei vorbeischauten, um sich einen Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen besorgen zu können, ließ sich dann den neuesten Stand von Braigs Ermittlungen erklären.
»Hesslers und Stiegelmaiers Tod stehen in engem Zusammenhang. Dafür sprechen nicht nur ihre gemeinsame Firma oder wie man diese angeblich journalistischen Touren bezeichnen soll, sondern auch die Telefonate, die sie bis unmittelbar vor der Ermordung Hesslers miteinander führten. Und vor einer Stunde haben mir die Techniker mitgeteilt, dass die Lackspuren, die sie an der Kleidung der beiden Leichen fanden, von ein und demselben Fahrzeug stammen, einem mittleren Daimler«, fasste Braig seine Ausführungen zusammen.
Neundorf aß den Rest ihrer Brezel, die sie sich besorgt hatte, trank den letzten Schluck ihres Kaffees. »Von demselben Wagen? Dann ist ja tatsächlich alles klar. Aber was sind das für journalistische Touren, die Hessler und Stiegelmaier unternahmen?«
»Wir wissen es nicht. Noch nicht.«
Sie waren in Ludwigsburg angelangt, bogen auf die Schorndorfer Straße ab, als sich Neundorfs Handy meldete. Sie nahm das Gespräch an, hatte den Kollegen Stöhr am Ohr.
»Hm, es ist so, Frau Neundorf. Sie müssen entschuldigen. Wir haben da eine Redakteurin vom Fernsehen.«
»Ja und?«
»Hm, also die Frau möchte dringend den Ermittlungsleiter zum Fall Stiegelmaier sprechen. Es sei unbedingt nötig, behauptet sie, es könne nicht aufgeschoben werden.«
»Ja, was will die Frau?«
»Es ist so, hm, wenn Sie erlauben, ich verbinde Sie.«
»Okay, nur zu.« Neundorf musste nicht lange warten, dann hatte sie eine Journalistin des Südwestrundfunks in der Leitung.
»Es geht um die Herren Stiegelmaier und Hessler. Bin ich bei Ihnen
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