Schwaben-Messe
so war es wohl.«
»Und dann? Lief sie ihm nicht nach?« Braig wartete gespannt auf die Antwort.
»Ich muss Sie enttäuschen. Ich weiß nicht, wann und wie Frau Krauter den Raum verließ, so seltsam das klingt. Ich musste mich um die anderen Leute kümmern, die Politiker und Manager auf dem Podium, die wir eingeladen hatten. Das sind meine Pflichten. Wie es mit der Frau weiterging – keine Ahnung. Ziemlich schnell nach Herrn Grandel, so meine ich mich zu erinnern, war auch sie verschwunden. Glaube ich jedenfalls. Sie sollten mit ihm selbst sprechen, wenn Sie es genau wissen wollen. Hier sind seine Telefonnummern. Dienstlich und privat.« Er nahm ein kleines Notizbuch, schlug es auf, notierte zwei mehrstellige Ziffern auf ein Blatt.
Braig bedankte sich. »Erinnern Sie sich noch in etwa an die Zeit? Wieviel Uhr war es, als Sie Frau Krauter zum letzten Mal sahen?«
Blaschke wiegte seinen Kopf hin und her, überlegte. »Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen«, meinte er, »aber das ist schwierig zu beantworten. Wann ich sie zum letzten Mal sah? Hm, ich weiß es nicht genau. Kurz vor Elf würde ich sagen. Ja, nicht viel davor. Durch den langen, erbitterten Streit hatten wir uns verspätet, deutlich verspätet. Nicht viel vor elf, wenn Ihnen das etwas nützt.«
6.
Als Steffen Braig das Wirtschaftsministerium verließ, empfing ihn noch immer schwül-warme Luft wie in einem Treibhaus. Er marschierte schnurstracks zur S-Bahn, hatte Glück, den Zug nach Leinfelden-Echterdingen ohne langes Warten zu erreichen. Nur raus aus dem Stuttgarter Talkessel, überlegte er, vielleicht ist das Klima oben am Flughafen nicht ganz so drückend.
Das Gespräch mit Reinhold Blaschke, darüber war Braig sich klar, hatte nur teilweise zur Entlastung Frau Krauters beigetragen. Ihre unüberhörbare Anwesenheit bei der Veranstaltung im Haus der Wirtschaft verschaffte ihr zwar ein absolut wasserdichtes Alibi, allerdings nur bis etwa dreiundzwanzig Uhr. Was sie danach getan hatte, wie sie nach Hause gekommen war, blieb vorerst offen. Er musste den Flughafenmanager aufsuchen, um ihn nach einem eventuellen Fortgang ihres Streits zu befragen. Außerdem konnte erst der endgültige ärztliche Befund über den Todeszeitpunkt des noch nicht identifizierten Mannes Aufschluss darüber geben, ob Frau Krauter überhaupt als Täterin infrage kam.
Braig rekapitulierte die Worte Blaschkes, mit denen er das Auftreten der Landwirtin im »Haus der Wirtschaft« beschrieben hatte. Wenn man dem Mann glauben konnte, und es gab wohl keinen Grund, das nicht zu tun, hatte sich Gabriele Krauter dermaßen auffällig benommen, dass ihre Anwesenheit einfach nicht zu übersehen war. Mochten viele der unzähligen Zuhörer der Diskussion allein schon aufgrund der großen Menschenmenge weitgehend anonym geblieben sein, an die Frau aus Leinfelden-Echterdingen konnte sich wohl jeder ohne Ausnahme erinnern.
Braig beobachtete ein altes Paar, das mit ineinander verschlungenen Händen in Österfeld den Zug verließ. Er runzelte die Stirn: War Gabriele Krauters unüberhörbares Auftreten gestern Abend nicht eine Spur zu plakativ? So laut und so provokant, dass man gar nicht erst auf die Idee kommen konnte, sie hätte in dieser Nacht noch andere Absichten verfolgt? Wollte sich die Frau vielleicht mit Gewalt ein Alibi verschaffen, waren der Streit, die Auseinandersetzung nur Mittel zum Zweck?
Braig spürte, welcher Berg an Arbeit noch vor ihm lag. Er musste die Frau erst genauer kennen lernen, um ihr Verhalten besser einschätzen und ihre Beweggründe beurteilen zu können. Beruhigend empfand er es immerhin, dass der Beamte des Wirtschaftsministeriums Frau Krauter nicht mit solch wirren Vorstellungen wie Schwarzen Messen oder irgendwelchen obskuren Orgien und Teufelsbeschwörungen in Verbindung brachte, wie Gübler es ihm heute Morgen weiszumachen versucht hatte, sondern ihre Tätigkeit eher auf politische Hintergründe zurückführte. Typisch Gübler, überlegte er, wenn er es auf eine Person abgesehen, seinen Verdacht auf einen bestimmten Menschen gelenkt hatte, war dem jedes auch noch so irrationale Mittel recht, ihn fertig zu machen und zur Strecke zu bringen. Schwarze Messen, Teufelsbeschwörungen. Als ob nicht schon genug Irre unterwegs wären.
Als Braig kurz darauf in Echterdingen aus dem Zug stieg, war von den gut zweihundert Metern Höhenunterschied nichts zu spüren. Die Luft schien genauso zu stehen wie in der Stuttgarter Innenstadt, heiß, voller Feuchtigkeit, fast
Weitere Kostenlose Bücher