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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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fünfzehn Blätter in seinem roten Ordner liegen, alles Männer zwischen Ende dreißig und fünfzig, jeder wohl als »Kopfarbeiter« zu bezeichnen.
    Braig sah auf die Uhr, merkte, dass er sich beeilen musste. Er bat Söhnle, die Blätter durchzuarbeiten, verabredete sich mit ihm um vierzehn Uhr an der S-Bahn-Station Leinfelden-Echterdingen.
    Als er ins Freie trat, um zur Stadtbahn zu marschieren, überfiel ihn die warme Luft wie in einer unbeabsichtigt betretenen Sauna. Selbst für einen normalen Sommertag im August waren die Temperaturen fast unerträglich. Wie er gelesen hatte, lagen die Ozonwerte in schwindelnden Höhen. Nur ein radikales Autofahrverbot konnte wieder akzeptable Luftverhältnisse schaffen. Sich dazu aufzuraffen, war die Regierung unter dem Druck der Lobby jedoch nicht imstande. Braig fuhr zur Stadtmitte, betrat das Wirtschaftsministerium um fünf Minuten vor zwölf. Reinhold Blaschke empfing ihn sofort. Der Mann trug Anzug und Krawatte, war um die Fünfzig, von Glatze und deutlichem Bauchansatz geprägt. Der Raum war angenehm klimatisiert.
    Braig stellte sich vor, entschuldigte sich für seine Störung am Wochenende, erklärte seinen Wunsch.
    »Frau Krauter war anwesend, in der Tat«, sagte Blaschke, bevor Braig das Foto aus seiner Mappe ziehen konnte, »von Anfang bis zum Schluss.«
    Braig sah ihn überrascht an. »Sie kennen Gabriele Krauter?«
    Blaschke bat ihn, Platz zu nehmen, bot ihm Mineralwasser an. Der Kriminalbeamte akzeptierte, schmuggelte ein Aspirin aus seiner Tasche, weil sich die Kopfschmerzen wieder mit unverminderter Energie ankündigten, nahm die Tablette mit dem Wasser zu sich.
    »Jeder in unserem Ministerium kennt die Frau.«
    Braig verstand nicht. »Könnten Sie mir das bitte etwas genauer erklären?«
    Blaschke setzte sich an seinen Schreibtisch, ein gewaltiges, in dunkler Eiche gehaltenes Möbelstück, spielte mit seiner Brille. »Sie wissen um die Pläne der Landesregierung, beim Flughafen eine neue Messehalle zu bauen?«
    Braig nahm noch einen Schluck Wasser, nickte. Das Vorhaben spukte seit Jahren durch die Lokalpresse, in immer neuen Variationen.
    »Dem Messegelände auf dem Killesberg fehlt jede Chance einer Erweiterung. Es liegt mitten in Stuttgart, zu nahe bei Wohnflächen, gehobenen Wohnflächen. Zu oft gibt es Klagen wegen Ruhestörung.«
    Braig spürte, wie seine Kopfschmerzen langsam nachließen, lachte leise. Gehobene Wohnflächen, überlegte er. Neundorf, eine Kollegin, würde es deutlicher sagen: Bonzen wohnen dort, und denen passt es nicht. Was würde es das Ministerium kümmern, wären es einfache Leute, nicht Bonzen?
    »Das dürfte heute doch kein Problem mehr sein«, warf Braig ein, »im Zeitalter von schalldichter Bauweise …«
    Blaschkes Spiel mit seiner Brille wurde für einen Moment hektisch. Nervös balancierte er das feingliedrige Stück zwischen rechtem Daumen und Zeigefinger. »Darum geht es nicht«, erwiderte er, »der Verkehr droht den Killesberg zu ersticken. Stellen Sie sich die vielen Autos anlässlich einer Messe vor.« Er hielt inne, räusperte sich. »Jedenfalls, wir brauchen ein größeres Gelände, mehr Hallen, Parkplätze, Verkehrsanbindung und so weiter. Wo findet sich das in unserem zerklüfteten Ländle besser als auf den weiten Flächen der Fildern am Flughafen? Alles komplett vorhanden dort oben: Weites, unerschlossenes Land, Autobahn, der Flughafen. Sie sehen, ein Gottesgeschenk.«
    Blaschke hatte seine Brille aus der Hand gelegt, strahlte Braig voller Begeisterung ins Gesicht. »Sie können sich nicht vorstellen, wie froh wir sind, seit uns diese Idee mit dem flughafennahen Standort kam.«
    Braig nickte.
    »Alle Institutionen haben ihr Placet gegeben, die Region Stuttgart, die Kreise, die Stadt, das Land, Architekten-Pläne liegen vor, und doch können wir nicht bauen.«
    »Was ist ihr Problem?«
    »Frau K r a u t e r«, sagte Blaschke, wobei er jeden einzelnen Buchstaben des Namens langsam nacheinander artikulierte, so dass die Aussprache völlig fremd klang, »sie weigert sich, ihr Land zu verkaufen.«
    »Muss sie viel hergeben?«
    »Die Frau wird reich, steinreich. Sie muss nie mehr arbeiten, braucht keinen Finger mehr zu rühren.«
    »Wieso will sie dann nicht?«
    »Fragen Sie sie selbst. Keine Ahnung. Die Frau ist völlig unzugänglich, mit Argumenten überhaupt nicht zu erreichen. Sie weigert sich, auch nur mit uns zu reden. Wir boten ihr Ersatzland, einen neuen Hof am Rand der Schwäbischen Alb, nichts. Sie geht auf keines

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