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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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unerträglich. Braig fühlte seine Kopfschmerzen wieder zunehmen, bemerkte den Druck in seinem Magen. Seit dem frühen Morgen hatte er nichts mehr gegessen.
    Er sah auf die Uhr, überlegte, dass es bis zum Treffen mit Söhnle noch zu einem kleinen Imbiss reichen würde, lief zu der Pommes-Bude in der Nähe der S-Bahn-Station. Braig bestellte eine große Portion Pommes, dazu ein Fleischküchle, obwohl er seit einigen Jahren auf Wurst und Fleisch weitgehend verzichtete. Zum Trinken Cola. Der füllige, halb kahle Wirt in seinem weißen Kittel betrachtete ihn interessiert.
    »Ooch fremd hier, wat?«, fragte der Mann
    Braig zuckte mit der Schulter. »Sieht man das?«
    »Ach wat, hier wuselt et doch vor lauter Journaille«, erklärte der Wirt in einer Art Berliner Dialekt, »seit die heute morjen die verbrannte Leiche draußen bei der Krauter entdeckt ham, will die halbe Welt wissen, wat löft. Ooch von der Presse?« Er holte die Pommes aus der Friteuse, verteilte sie geschickt auf einem kleinen Karton, salzte sie ein, schob sie über den Tresen. »Ketchup oder Mayo?«
    Braig schüttelte den Kopf. »Weder noch. Danke.«
    »Oh, janz bescheiden, wat?«
    Braig nickte. Wenige Sekunden später hatte er das Fleischküchle vor sich zu liegen.
    »Also. Von ner Zeitung, Bild oder so wat, wie?«
    Braig wiegte den Kopf hin und her, ließ den Mann zappeln.
    »Ick könnte Ihnen ja wat erzählen«, setzte der Wirt fort.
    Braig wurde neugierig. »So? Gerne.« Er stach mit einer winzigen Plastikgabel in die Pommes, aß langsam.
    »Fuffzehn Jahre bin ick jetzt hier, ick weeß Bescheid.«
    Braig schluckte, trank von der Cola.
    »Aber det mit der Leiche, also det is doch der Höhepunkt.«
    Ein weiterer Kunde trat an den Kiosk, verlangte Zigaretten.
    »Sie kennen Frau Krauter?«, fragte Braig. Er nahm reichlich Pommes auf seine Gabel, ließ es sich schmecken. Sie waren gut fritiert, nur einige Stücke leicht versalzen. Braig klopfte die kleinen weißen Körnchen ab.
    »Die werd ick nich kennen, wa!«, tönte der Wirt. Er übergab die Zigaretten, nahm das Geld, öffnete sich selbst eine Cola. »Die Orgien von den Lesben sind doch regelrecht berühmt. Noch nie wat von ihre Schwarze Messen jehört?«
    Braig schüttelte scheinheilig den Kopf. »Schwarze Messen?«
    Er wunderte sich über den Ausdruck aus dem Mund des Wirts, hatte ihn für eine Erfindung, zumindest eine Interpretation Güblers gehalten.
    »Feiern die alle paar Wochen, Freitag Nacht durch bis Sonntag. Vom Frühling bis in den Herbst. Die Weiber kommen scharenweise, von überall her. Deutschland, Amerika, Tschechei, Polen, Jugoslawien, Ausland überhaupt. Da jeht de Post ab, Junge, und wie! Fallen übereinander her, fieseln sich einen ab …
    Die brauchen keine Männer mehr, wat? Verbrennen se, opfern se dem Teufel.«
    »Wer?«
    »Na, wer schon, die Krauter und ihre Lesben, von wat reden wir wohl?« Der Wirt bediente einen Kunden, schob eine Illustrierte über den Tresen. Er nahm das Geld entgegen, legte es in seine Kasse. »Ham heute Nacht wieder jefeiert und dem Teufel ein Opfer jebracht, und jetzt liegt die nackte Leiche auf ihrem Feld. Wahrscheinlich keine Zeit mehr jehabt, den Kerl wegzuschaffen, wie?«
    Braig nahm den Rest seiner Pommes mit der kleinen Gabel auf, zuckte mit der Schulter. »Wieso keine Zeit mehr?«
    »Na, wat weeß ick. Wurde bald hell vielleicht, kaum dass die dem Kerl die Lebenslichter ausjeblasen hatten, und dann wollten die den nich mehr durch die Pampa schleifen, weil se Angst hatten, dass schon Leute unterwegs sind. Sonst hätten se ihn doch weiter wegjeschafft, denk ick. Irgendwo anders abjelegt, im Wald oder sonstwo, jedenfalls nich so nah an ihrem Haus, damit keener gleich uff die Idee kommt, die Leiche stammt von ihre Orgie, oder? Wahrscheinlich war ne janze Horde Weiber zusammen und die ham den armen Macker uff ihre Schwarze Messe regelrecht hinjerichtet, wie et so üblich is. Immerhin soll der Typ janz schön anjekohlt sein, watt man so hört.« Er hustete laut, hantierte an seiner Friteuse.
    Braig sah, wie der Mann das Blech säuberte.
    »Aber noch ham se det Weib nich verhaftet. Kann ick nich verstehn.«
    Vorne, an der Straße, stoppte ein graues Fahrzeug. Bernhard Söhnle winkte.
    Braig verabschiedete sich von dem Wirt, stieg bei seinem Kollegen ein. »Und?«, fragte er.
    »Zweiunddreißig Männer zwischen Ende dreißig und fünfzig. Alle wurden in den letzten vier Wochen als vermisst gemeldet. Irgendwo in Deutschland. Dazu zwei aus der Schweiz,

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