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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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aufgeschichtete, oben schwarz angekohlte Holz.
    »Auf diesem Platz?«, fragte Braig.
    Sofie Steimle deutete immer noch auf das Areal neben dem Wohnhaus. »Alle paar Woche«, erklärte sie leise, fast flüsternd, als befänden sich in der Nähe Ohren, die ihre Worte nicht hören durften, »no brennt in der Mitte das große Feuer und auße tanzet die Weiber rum und singet und schreiet. Und direkt an der Hauswand, auf dene Bänke, sitzet die Musiker.«
    Braig entdeckte drei lange, hellbraun gestrichene Holzbänke, die direkt am Mauerwerk des Hauses in die Erde eingelassen waren. Er sah die vielen Einkerbungen im Sand des Bodens, der stark beansprucht wirkte, wie der Rasen nach einem Fußballspiel. Fehlten nur noch die tanzenden, trampelnden Frauen, das Feuer in der Mitte, die dunkle Nacht, die dem Ganzen erst die richtige Atmosphäre gab.
    »Wie viele Leute machen mit?«, fragte er.
    Sofie Steimle blickte ratlos auf die Spinnweben über ihrem Kopf. »Wenn i das wüsst. Zählt han i die nie. Aber viele sinds, viele! Der Platz isch ganz voll.«
    Braig betrachtete die Felder der Umgebung, fast alle mit reifem, goldgelbem Korn, keine hundert Meter dahinter Fahrzeugkolonnen auf der nahen Bundesstraße.
    »Und das stinkt!«, jammerte Frau Steimle. »Wie nach Pech und Schwefel, wenn das Feuer brennt. I sags ihne, der Leibhaftige isch dabei.«
    Braig fühlte sich zu einer ironischen Bemerkung provoziert. »Aber persönlich gesehen haben Sie ihn noch nicht?«
    Sofie Steimle schien zu einer leblosen Statue zu erstarren. Sie gaffte ihn mit großen Augen vorwurfsvoll an, die Haut leicht gerötet, die Haare weiß, voller Spinnweben, deutete mit dem Zeigefinger nach oben. »Der Herr lässt sich nicht verspotten«, sagte sie langsam, mit mühsam hochdeutsch formulierten Worten, »vergesset Sie das nie! Die Sach isch zu ernst, damit dürfet mir keine Witze mache. Mir lebet in der Endzeit, das steht genau in der Offenbarung, der Herr kommt bald. Unsere Zeit isch schlecht, Sodom und Gomorrha sind im ganzen Land, Peschtilenz un Verderbe herrschet, Sünde treibt die Menschen, der Satan hat seine Hände überall im Spiel.«
    Steffen Braig ließ die Predigt ohne Widerspruch über sich ergehen, versuchte sich die nächtliche Szenerie vorzustellen, wie die frömmelnde Bäuerin und ihr wohl ähnlich überzeugter Mann von brennender Neugier getrieben hier mitten in diesem von Spinnweben und Staub übersäten stickigen Raum vor dem Fenster hockten und sich gegenseitig das Fernglas aus der Hand rissen, um sich ja nicht die satanischen Tänze und Gesänge ihrer Nachbarin entgehen zu lassen, vor deren teuflischen Auswirkungen sie sich doch eigentlich fürchteten.
    »Und kurz nach Mitternacht hent die heute Nacht dem Satan das Menschenopfer bracht.«
    Braig, aus seinen Überlegungen gerissen, starrte die Frau nur an. »Wo?«, stotterte er.
    »Da unte«, gestikulierte Sofie Steimle und stakste mit ihrem Zeigefinger auf die Fensterscheibe, »mein Hermann und ich hent beide zuguckt, wie die den Mann in das Feuer neigworfe hent.«
    »Sie haben zugesehen?«
    Die Bäuerin holte tief Luft. »Was erzähl ich Ihne denn die ganze Zeit«, jammerte sie, »höret Sie mir denn net zu? Die hent sich in Rage tanzt, hent gsunge und musiziert und sind dann kurz nach Mitternacht über den Kerl hergfalle und hent ihn dem Satan geopfert.«
    »Lebendig?«
    »Was weiß ich! Fraget Sie mich was Leichteres! Die hent den ins Feuer neigworfe, so wie die das immer machet.«
    »Ihr Mann war ebenfalls Zeuge?«
    »Ja, glaubet Sie, i gang mitte in der Nacht allein in den Stall, wo sich heut soviel Gesindel rumtreibt?«
    Sofie Steimle stampfte zur Treppe zurück, rief nach ihrem Mann. Schwaden von Staub hüllten ihre Füße ein. Wenige Sekunden später keuchte der Landwirt die Stufen hoch.
    »Hermann, erzähl dem Beamte, was mir gsehe hent heute Nacht.«
    Der Mann deutete auf das Fenster, erstattete ausführlich Bericht. Braig hörte die gleiche Beschreibung des nächtlichen Treibens, ohne nennenswerte Abweichungen. Hermann Steimle bestand auch nach mehreren Rückfragen Braigs darauf, dass kurz nach Mitternacht ein Mann ins Feuer geworfen worden war, ob tot oder lebendig, von welcher Größe oder Statur, konnte er nicht erklären.
    »Aber wieso«, Braig hatte Schwierigkeiten, die passenden Worte zu finden, »wieso alarmierten Sie denn nicht sofort die Polizei?«
    »Polizei?«
    Hermann Steimle fingerte sich die Spinnweben aus den Haaren, wischte den Staub von seiner Stirn. Seine Frau

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