Schwaben-Messe
hol das Fernglas, damit der Beamte das sieht.«
Ihr Mann lief zur Tür, verschwand im Gebäude.
»Die hent a eigene Sprache für den Teufel, die wisset genau, wie die mit dem umgange müsset, die schwätzet alle ganz bewusst so, dass der begreift, was die wollet«, ereiferte sich Sofie Steimle, »und mir verstandet kein Wort davon. Die sind Profis, totale Profis. Mir betet jeden Tag und leset fescht in Gottes Wort, damit die koin Einfluss auf uns hent. Aber das, was die treibet, steht genau so in der Heilige Schrift in der Offenbarung: In den letzten Tagen werden sie abfallen von Gott und den Satan anbeten.«
Steffen Braig griff sich mit der Rechten an die Stirn, massierte seine Schläfen, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte weiß Gott viel erlebt in den letzten Jahren als Polizeibeamter, mit Menschen aus den verschiedensten Schichten erfreuliche und weniger erfreuliche Gespräche geführt, Auseinandersetzungen gehabt und schließlich – in einigen wenigen Fällen – auch handgreifliche Streitereien durchstehen müssen. Was ihm bisher aber erspart geblieben war, waren Schauermärchen der hier vorgetragenen Art.
Teufelsbeschwörungen, Schwarze oder Satanische Messen, Exorzismen oder dubiose sektiererische Kulte beurteilte er als Hirngespinste oder mittelalterliche Verdummungspraktiken, Wahnvorstellungen weitab moderner menschlicher Zivilisation, Phantasieauswüchse kranker Hirne, die in einer aufgeklärten Welt nichts mehr zu suchen hatten. Was ihm in den letzten Minuten von dem leicht angestaubt wirkenden Landwirtsehepaar vorgetragen worden war, mit einem Pathos, einer Überzeugung, als wäre die Frau wirklich Zeugin, Beobachterin oder gar Teilnehmerin eines solchen Geschehens gewesen, passte vielleicht in einen dumpf katholischen Winkel Bayerns, auf keinen Fall aber in ein ernstzunehmendes Gespräch erwachsener Menschen.
»Hier isch das Fernglas, gucket se!« Hermann Steimle kam aus dem Haus leichtfüßig wie ein Jugendlicher gerannt, streckte Braig das Fernglas entgegen.
Der Kommissar wirkte unsicher.
»Nehmet se das Ding!«, rief Sofie Steimle. »Damit se verstandet, was mir moinet.«
Braig hielt das Fernglas in Händen, verstand dennoch kein Wort.
»Von unserem Stall aus hent mir die beste Aussicht, direkt zu der Krauter auf ihren Hof«, erklärte die Frau, »kommet se, i zeigs Ihne.« Sie drückte ihn zu dem Wirtschaftsgebäude neben dem Wohnhaus, öffnete die breite Tür, die quietschend nach vorne sprang. Schwerfällig stampfte sie vor ihm her, eine schmale hölzerne Treppe nach oben.
Braig sah die Spinnweben, beobachtete die Staubwolken, die sich unter den Füßen der Frau erhoben.
»Auf, los!«, rief sie von oben.
Er folgte ihr langsam, in gebückter Haltung, den Kopf vor die Brust gedrückt, zuckte jedesmal zusammen, wenn eine Spinnwebe seine Haare oder seine Haut streifte. Das obere Stockwerk war angefüllt mit leeren Kisten, Säcken, alten, eingestaubten Maschinen. Es roch leicht alkoholisch nach gärendem Obst, trockener, stickiger Luft und dem stechenden Äther alten Maschinenöls. Jeder Schritt, mit dem sie sich durch das Wirrwarr vorwärts kämpften, löste eine voluminöse Staubwolke aus.
Sofie Steimle trat an ein kleines, quadratisches Fenster, das auffällig aus seiner Umgebung herausstach, weil es offensichtlich erst vor kurzem frisch geputzt worden war, deutete auf die Äcker hinter der Scheibe. »Hier, sehet Sie den Platz neben der Krauter ihrem Haus?«
Braig starrte durch das Fenster, bemerkte, wie gut der Hof Gabriele Krauters von hier einzusehen war. Auch ohne Fernglas konnte er jede Einzelheit des benachbarten Anwesens genau erkennen.
Das zweistöckige, langgezogene Wohnhaus mit dem vorgelagerten Garten, der große Stall, zwei Holzschuppen. Zwischen den Gebäuden der asphaltierte Hof, auf der der Straße abgewandten Längsseite des Hauses ein kreisrunder Sandplatz mit einem von großen Quadersteinen eingefaßten, teilweise abgebrannten Holzstapel in der Mitte.
»Da feieret die ihre Teufelsanbetunge«, erklärte Sofie Steimle.
Braig folgte ihrem weit ausgestreckten Zeigefinger, hielt sich das Fernglas vor die Augen. Zuerst hatte er Schwierigkeiten, etwas zu erkennen, die gesamte Landschaft wirkte verschwommen, dann, nach der Korrektur der Sehschärfe, lag er plötzlich verblüffend deutlich und sehr nahe vor ihm: Der runde Platz mit vielleicht fünfzehn Metern Durchmesser, die ausgebleichten Sandsteinquader, das aus dicken Ästen und Zweigen
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