Schwaben-Messe
betrachtete Braig mit verständnisloser Miene. »Wie stellet Sie sich das denn vor? Die stehet mit dem leibhaftige Satan in Verbindung, und mir hättet nix anderes zu tun als die Polizei zu rufe, damit der uns als nächstes Opfer holt? Sie hent doch wirklich keine Ahnung …«
Sofie Steimle stand an der Tür, wartete ungeduldig. »Wenn Sie noch Frage hent – morge isch mehr Zeit.«
»Frau Krauter war heute Nacht ebenfalls dabei?«
»Ja, was denn sonst, glaubet Sie, die liegt dann im Bett und schläft?«
Braig glaubte überhaupt nichts mehr, spürte, wie es in seinem Kopf rumorte. Er folgte dem Paar die steile Treppe nach unten, wusste, dass er die Angaben der Leute gründlich überprüfen musste. Immerhin stellten sie sein bisheriges Wissen regelrecht auf den Kopf: Hatten sie auch nur in Ansätzen recht, das heißt, hatte heute Nacht auf dem Krauter-Hof tatsächlich eine dieser seltsamen Versammlungen, Spiele oder was auch immer stattgefunden, waren die Aussagen von Gabriele Krauter und Mirjana Beranek Makulatur, ja gelogen. Beide waren nicht im Bett gewesen, wie sie Gübler und ihm gegenüber heute Morgen ausgesagt hatten, sondern die halbe Nacht auf den Beinen, bei einer Veranstaltung, bei der angeblich ein toter oder lebendiger Mensch in ein Feuer geworfen worden war. Krauters Anwesenheit bei der Diskussion im »Haus der Wirtschaft«, ihr extrem lautes Auftreten dort verschaffte ihr für die Zeit nach Mitternacht kein Alibi, machte sie aufgrund ihrer auffälligen Worte gegen den Flughafen-Manager eher noch verdächtiger. Diente ihre unüberhörbare Anwesenheit dort also wirklich nur dem Zweck, von ihrer eigentlichen Aktivität auf ihrem Hof abzulenken? Hatte sie die Aggression gegen den Mann nur auf die Spitze getrieben, um hier umso rücksichtsloser zuschlagen zu können?
Braig wusste nicht, was er glauben, inwieweit er dem seltsamen Gerede der Steimles folgen sollte. Die beiden Landwirte kletterten auf ihren Traktor, beachteten ihn nicht weiter, verschwanden mit lautem Getöse vom Hof. Er folgte ihnen langsam, sah ihnen nach. Der Anhänger holperte schlingernd über die mit Erdklumpen übersäte Straße, zog eine dichte Staubwolke hinter sich her. Nach dreihundert Metern etwa bogen sie rechtwinklig ab ins freie Feld.
Was immer heute Nacht auf dem Krauter-Hof abgelaufen war, überlegte Braig, konnten es die Teilnehmer eines solchen Geschehens wirklich wagen, mitten in der Nacht im Schein des Feuers einen Menschen zu »opfern«, ihn also öffentlich und weithin sichtbar zu verbrennen? Ob Zuschauer draußen auf den Äckern oder sonstwo in der Umgebung vorhanden waren, konnte man aus dem Umfeld des Feuers – geblendet vom flackernden Licht – nicht erkennen. Ob sie Wache standen, um Voyeurismus zu unterbinden? Wenn ja, dann recht erfolglos, die Steimles waren dem Geschehen – konnte er ihnen wirklich vertrauen – die ganze Zeit ungehindert gefolgt. Wer garantierte, dass nicht noch andere unbekannte Zuschauer irgendwo draußen harrten, um das laute Feiern zu beobachten?
Nein, das schien doch zu riskant, ganz abgesehen davon, dass an der nächtlichen Feier angeblich eine ganze Menge von Frauen beteiligt gewesen waren. Viele Täterinnen also, aber nur ein Opfer? Kollektiver Mord, vielleicht unter Drogen?
Steffen Braig war der geradlinig verlaufenden Straße in Richtung der Autobahn, weg von Krauters Hof, gefolgt, hatte das nächste Anwesen erreicht: Ein zweistöckiges, wie die übrigen Aussiedlerhöfe unübersehbar im Stil der siebziger Jahre errichtetes Gebäude mit benachbarten Stallungen, Scheune, Maschinenabstellräumen. Eine ältere Frau in langem Rock und dunkler Schürze stand breitbeinig im Garten neben dem Haus und beäugte Braig misstrauisch.
»I woiß nix!«, rief sie ihm entgegen.
Er sah ihre abweisende Miene, zog seinen Ausweis.
»I woiß gar nix!«, wiederholte die Frau. »I bin net von hier.«
Braig näherte sich ihr vorsichtig, trat von außen an die Gartenumzäunung. »Mein Name ist …«
»I woiß wirklich nix«, rief die Frau, »Sie könnet in Ihrer Zeitung schreibe, was Sie wollet, i sag nix!«
»Braig«, erklärte er mit lauter Stimme, um nicht wieder von ihr übertönt zu werden, »vom Landeskriminalamt Baden-Wür…«
Das Tosen des Flugzeugs kam so schnell, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Die Maschine hing plötzlich unmittelbar über ihnen, erfüllte die gesamte Umgebung mit einem solchen Lärm, dass keinerlei Verständigung mehr möglich war. Braig fürchtete, sein
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