Schwaben-Messe
Die Stimme des Kollegen schien von Frust geprägt.
»Ich habe leider nicht viel erreicht. Die Leute sind alle auf den Feldern und haben keine Zeit«.
»Keine einzige Aussage?«
»Doch. Eine Familie Wehl. Aber nur draußen während der Arbeit, ohne große Konzentration.«
»Und?«
»Hm. Die Krauter feierte heute Nacht eine Teufelsmesse, was immer das sein soll. Mit mehreren Frauen. Lesben angeblich. Der Tote sei das Opfer, das sie dem Satan dargebracht hätten.«
»Sonst noch was?«
»Reichlich obskur. Aber die beharrten auf ihrer Version. Wie war es bei dir?«
Braig berichtete, verabredete sich mit seinem Kollegen bei ihrem Wagen. »Wir müssen die Krauter und ihre Mitarbeiterin in die Mangel nehmen. Die haben uns das mit ihrer Feier vorenthalten. Außerdem brauchen wir die Namen von den Frauen, die daran teilgenommen haben. Das gibt Arbeit.«
Als sie fünfzehn Minuten später auf das Krautersche Anwesen einbogen, war alles still. Zwei Anhänger, voll beladen mit reifem Korn, standen im Hof, der Traktor fehlte. Ihr Läuten und Rufen blieb ohne Reaktion.
»Die sind noch irgendwo da draußen. Wer weiß, wo. Für heute Nacht sind schwere Gewitter gemeldet. Ich denke, die wollen noch möglichst viel ernten. Dürfte auf keine große Gegenliebe stoßen, wenn wir die aufsuchen.«
Braig nickte, dachte an den Flughafenmanager, den er auf seinen Disput mit Frau Krauter ansprechen wollte. Er tippte die Nummer, die ihm Reinhold Blaschke, der Beamte im Wirtschaftsministerium, mitgegeben hatte, ins Handy, wartete mehrere Signaltöne ab. Als er es gerade aufgeben wollte, meldete sich eine aufgeregte Frauenstimme.
»Ja?«
»Braig vom Landeskriminalamt. Ich hätte gern Herrn Grandel.«
»Haben Sie ihn gefunden?«
»Wen?«
Die Antwort kam erst nach einigen Sekunden. »Wer sind Sie?«
Er versuchte, es der Frau langsam zu erklären.
»Sie suchen ihn ebenfalls?« Ihre Stimme klang gehetzt, abgerissen, fast hysterisch.
»Ja. Was ist mit ihm?«, fragte er. »Kann ich ihn nicht sprechen?«
Sie antwortete zuerst nicht, atmete tief durch. »Aber Sie suchen ihn doch. Oder nicht?«
Braig wurde ungeduldig. Sein Kopf brummte, seine persönlichen Presslufthämmer begannen wieder ihr schlimmes Werk. »Wer sucht ihn?«
»Die Polizei«, kreischte die Frau, »ich habe es doch gemeldet, dass mein Mann verschwunden ist.«
Braig spürte, wie sich alles in ihm verkrampfte. »Seit wann ist er verschwunden?«
»Gestern Abend. Oder besser: Heute Nacht.«
»Doch nicht seit der Veranstaltung im ›Haus der Wirtschaft‹?«
»Wie oft soll ich es noch wiederholen? Ich habe es Ihren Kollegen ausführlich erklärt: Roger hatte eine Diskussion in Stuttgart bis gegen dreiundzwanzig Uhr. So war es geplant. Er kam aber nicht mehr …«
Der Lärm einer landenden Maschine verschluckte ihre Worte. Braig duckte sich impulsiv, spürte die stechenden Schmerzen in seinem Kopf. Das Flugzeug senkte sich dröhnend auf die Piste nieder, zog einen breiten Abgasstreifen hinter sich her. Er hatte Mühe, wieder ins Gespräch zu finden.
»Frau Grandel, können wir bei Ihnen vorbeikommen?«, schrie er ins Handy, um den Lärm der Maschine zu übertönen. »Wo wohnen Sie?«
»Ihre Kollegen haben doch alles aufgenommen. Was wollen Sie?«
»Es ist wichtig. Bitte, wir fahren sofort los. Wo wohnen Sie?«
Die Frau am anderen Ende hustete laut. Ausgeprägter Raucherhusten, überlegte Braig.
»Bürg.«
»Wo?«
»In Bürg. Über Winnenden.«
Braig prustete laut. Es waren mindestens sechzig Kilometer. Genau am anderen Ende des Großraums Stuttgart.
Sie nannte ihm die Straße und die Hausnummer, erklärte, wie sie den Weg zum obersten Ortsrand finden könnten. Er bedankte sich, versprach, so schnell wie möglich zu kommen, steckte das Handy weg.
»Dieser Grandel ist verschwunden«, sagte er zu seinem Kollegen, »der Flughafenmanager, mit dem Frau Krauter gestern Abend einen heftigen Streit hatte. Wir müssen sofort zu seiner Frau nach Bürg.«
»Bürg?«
»Bei Winnenden.«
»Ja, ich kenne es.« Söhnle pfiff durch die Zähne. »Gut betuchte Leute, wie? Aber noch weiter weg hätten sie kaum ziehen können. Arbeitet am Flughafen und wohnt hinter Winnenden.«
Er startete den Wagen, steuerte die Bundesstraße an.
»Kann ich natürlich verstehen«, meinte er nach einer Weile, »wenn ich an die zwei Stunden heute mittag denke. Der Lärm der Flugzeuge – ich an seiner Stelle wollte auch nicht in der Nähe wohnen. Ich weiß nicht, wie die Leute das aushalten
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