Schwaben-Messe
wies auf das breite dunkle Ledersofa, das flankiert von zwei Sesseln an der Wand des Zimmers lehnte. Sie nahmen Platz, ließen sich Mineralwasser reichen. Im schweren Glas des Tisches spiegelten sich die dunklen Wolken des Himmels.
»Vier Jahre jetzt«, antwortete sie, »es war ein Geheimtipp eines Freundes.«
»Sie haben es gekauft?«
»Roger, ja. Seit er beim Airport arbeitet, verdient er sehr gut.«
»Er hat leitende Funktionen?«
»Ja. Öffentlichkeitsarbeit, Entwicklung des Betriebes, Expansion und so.«
Aus der schwarzen Wolkenwand zuckten mehrere grelle Blitze. Noch war vom Donner nichts zu hören.
»Ihr Mann ist oft beruflich unterwegs?«, fragte Braig.
Sabine Grandel nickte. »Das bringt sein Job so mit sich, ja.«
»Auch übers Wochenende manchmal?«
»Klar. Je nachdem, was gerade anliegt.«
»Wenn er gestern Abend nicht nach Hause kam, könnte es nicht sein, dass er heute einen Termin wahrnehmen musste und deshalb direkt weiter reiste?«
»Er hätte mich informiert.«
»Garantiert?«
»Es ist wirklich nicht seine Art, mich sitzen zu lassen. Bestimmt nicht.«
»Dann ist es heute das erste Mal, dass er, ohne Sie zu verständigen, nicht nach Hause kam?«
Sabine Grandel warf ihre Haare zurück, beobachtete, wie die Sonne im Westen von der Wolkenwand verschluckt wurde. Innerhalb weniger Minuten wurde es draußen merklich dunkler.
»So lange, ja«, erklärte sie. »Natürlich kam es schon oft vor, dass er sein Flugzeug nicht mehr bekam oder unterwegs irgendwo hängen blieb. Aber wenn seine Verspätung zu groß wurde, rief er mich an. Er hat ein Handy.«
»Wie lange sind Sie verheiratet?«
»Sechs Jahre. Kein Grund, an eine andere Frau zu denken.«
Braig lachte kurz, zwang sich dazu, angesichts der Situation der Frau ernst zu bleiben.
»Ganz ausschließen kann man das leider nie.«
»Ich glaube doch«. Ihre Antwort klang trotzig wie die einer Pubertierenden, die ihren Eltern widerspricht. »Er hätte keinen Grund dazu.«
»Das bezweifle ich nicht. Hoffentlich unterliegen Sie dennoch keinem Irrtum.« Auch sich so aufzudonnern und sich so herauszuputzen wie die Frau, überlegte Braig, konnte dies nicht zu hundert Prozent verhindern. Ihr luftiges Sommerkleid war weit hoch gerutscht, legte ihre Beine großzügig frei.
»Was können Sie jetzt tun?«
»Sie kennen eine Frau Krauter?«
Sabine Grandel betrachtete ihn aufmerksam. »Die mit den Schwarzen Messen?«
Söhnle kicherte leise. »Die Frau ist überall bekannt, wie?«
Braig entdeckte einen Zug mit roten Wagen, der wie eine Spielzeugeisenbahn unten im Tal vorbeiglitt. »Wissen Sie, inwieweit Ihr Mann mit ihr zu tun hat?«, fragte er.
»Das bleibt nicht aus. Die schikaniert ihn, wo es nur geht.«
»In welcher Form? Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Allerdings. Der Krauter ist jedes Mittel recht, den Flughafen zu sabotieren. Die ist direkt gemeingefährlich.«
»Inwiefern?«
»Die lassen spezielle Ballons steigen, die es unmöglich machen, dass Flugzeuge starten oder landen können. Mehrfach haben sie schon die Zäune der Landebahnen zerstört, bei jeder Veranstaltung des Airports ist sie dabei und terrorisiert die Manager, jede Erweiterung des Geländes wird von ihr bekämpft. Ich verstehe nicht, wieso die Polizei nichts gegen die Frau unternimmt.«
»Was wissen Sie von ihren Schwarzen Messen?«
Sabine Grandel fuhr mit der linken Hand durch ihre Haare, streckte den Oberkörper vor, dass sich ihre Brüste deutlich unter dem Kleid abzeichneten, schüttelte den Kopf. »Nicht viel. Nur was Roger so erzählt. Die Frau sei lesbisch und lebe mit einer Freundin zusammen, und alle paar Wochen träfen sich Gruppen von anderen Lesben bei ihr auf dem Bauernhof und feierten satanische Messen mit Teufelsaustreibung und so. Ich denke, diese angeblichen Schwarzen Messen sind nichts anderes als sexuelle Orgien. Wenn man so veranlagt ist, gibt es in unserer Gesellschaft wohl nicht viele Möglichkeiten, sich auszuleben, oder? Ich kenne mich in dieser Beziehung nicht aus. Soll die Frau leben wie sie will, wir sind tolerant, oder?« Sie blickte die Beamten fragend an, setzte ihre Überlegungen fort. »Wenn sie ihre Orgien allerdings dazu benutzt, die Frauen aufzuhetzen, gemeinsam Aktionen gegen den Flughafen zu unternehmen, wie das offensichtlich schon mehrfach geschah, kann ich das nicht akzeptieren. Roger meint, sie arrangiere diese Schwarzen Messen nicht nur für ihre lesbischen Spielereien, sondern auch aus psychologischen Überlegungen:
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