Schwaben-Messe
zwischen den beiden ungleichen Typen wieder eine Auseinandersetzung gab, schien es Braig sinnvoll, sich aus dem Staub zu machen, um nicht mitten in das Gemetzel zu geraten.
Er eilte in sein Zimmer, fand ein Fax des Pathologen auf seinem Schreibtisch, das am späten Samstagabend aufgegeben worden war. Der Arzt teilte darin mit, dass er nach gründlicher Überprüfung der Leiche eine ältere Verbrennung am Knie des Toten festgestellt hatte, von der er mit Sicherheit sagen könne, dass sie nichts mit der postmortalen Hautverletzung zu tun habe, sondern viele Jahre alt sei. Die Haut unter- und oberhalb des linken Knies sei dadurch in Mitleidenschaft gezogen worden, sie bestehe an dieser Stelle des Körpers des Toten nicht wie üblich aus drei, sondern nur aus einer Schicht. Der Mann sei also deutlich gebrandmarkt gewesen, man könne von einem charakteristischen Merkmal sprechen.
Braig schlug vor Freude mit der rechten Faust auf den Schreibtisch. Endlich tat sich etwas! Was der Pathologe hier mitteilte, war ein wertvoller Hinweis. Jetzt musste er die Tatsache des verbrannten Knies, männlich, erwachsen, nur noch in den Computer eingeben und das entsprechende Programm beauftragen, die Vermissten danach abzuchecken.
Er schaltete sein Terminal ein, wartete, bis der Bildschirm sein Okay signalisierte, gab den Befehl ein.
Das Computerprogramm arbeitete zügig, überprüfte sämtliche vermisst gemeldeten erwachsenen Männer auf eine Brandwunde am linken Knie. Braig stand auf, lief zum Waschbecken am anderen Ende des Raums, ließ sich ein Glas mit Wasser voll laufen. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, trank. Als der Monitor das Ergebnis präsentierte, kam die Kollegin Neundorf in den Raum.
»Am Sonntag fleißig«, lobte sie, klopfte ihm zur Begrüßung auf die Schulter.
Er nahm ihren Arm, drückte ihn, zeigte auf den Monitor. »Die Leiche am Flughafen«, erklärte er.
Neundorf war Ende dreißig, mittelgroß, hatte einen sportlichen Körper, kurze blonde Haare, ein junges, schmales Gesicht. Sie trug eine etwas abgewetzte hellblaue Jeansjacke über einem gelben T-Shirt, dazu eine legere Cargohose mit mehreren Taschen.
»Gübler will auf Teufel komm raus verhindern, dass ich in den Fall einsteige. Ich hatte gerade eine heftige Auseinandersetzung mit ihm. Sie lassen Ihre Hände weg von dieser Sache, brüllte er. Ich verstehe nicht, welche Ängste den wieder plagen.«
»Was will er heute hier? Das Fernsehteam ist doch nicht mehr da, oder?«
»Wahrscheinlich wollte ihn seine Alte loshaben und erteilte ihm Hausverbot. Kann ich nachvollziehen. Oh, was ist das?«
Sie starrten auf den Bildschirm, überflogen den Text, betrachteten das kleine Foto.
»Wahnsinn«, brummte Braig, »wir haben ihn, oder?«
Sie las, stimmte zu.
Die Vermisstenmeldung war gerade frisch eingegangen. Eine Frau Altmaier, sechsundsiebzig, war in großer Sorge, dass ihrem Sohn Jonas Altmaier, achtunddreißig, etwas zugestoßen sein könnte. Er war nicht, wie mit ihr telefonisch vereinbart, am Samstagmorgen erschienen, um mit ihr einzukaufen, obwohl ihre Vorräte zur Neige gingen und sie dringend Arzneimittel benötigte. Außerdem wollte er zum Mittagessen und Kaffeetrinken bleiben. Frau Altmaier hatte am Freitag gegen 17 Uhr zum letzten Mal telefonischen Kontakt mit ihm. Nachdem sie ihn am Samstag den ganzen Tag über vergeblich zu erreichen versucht hatte, rief sie am Sonntagmorgen seinen Nachbarn an, einen älteren Herrn, der an seiner Wohnungstür läutete. Der Nachbar hatte ihn am Freitagabend zum letzten Mal gesehen. Sonntag gegen 9.30 Uhr schließlich wandte sich Frau Altmaier an die Polizei. Vielleicht eine etwas übereilte Aktion, aber ihr Sohn hatte sie noch nie, wie sie betonte, im Stich gelassen.
Daten des vermissten Jonas Altmaier: Achtunddreißig Jahre, 178 Zentimeter groß, Beruf: Heizungsbauer, Wohnort: Waiblingen. Besondere Kennzeichen: Brandwunde um das linke Knie.
Die letzte Zeile mit dem besonderen Kennzeichen hatte der Computer selbstständig rot markiert.
»Eine Brandwunde am linken Knie kommt doch nicht sehr häufig vor«, meinte Braig, »ich glaube, damit ist die Identität des Toten geklärt. Obwohl …«, er stutzte, »Heizungsbauer als Beruf ist wohl nicht gerade ein Kopfarbeiter.«
Er hörte die schleifenden Schritte hinter sich, drehte sich um. Gübler stand an der offenen Tür. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Er beäugte die beiden Kommissare misstrauisch, rang nach Worten.
»Guten Morgen«, kam ihm Braig
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