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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Geschichte, lagen ihm dagegen weit weniger. Noch fehlten ihm allein in den Sprachwissenschaften acht Scheine, um zur Prüfung zugelassen zu werden, in Geschichte noch vier; ein hartes Brot, fand er doch kaum ein Seminar, das aus seiner Sicht als interessant zu bezeichnen war. Wichtiger schien ihm, im Fachbereich Sportwissenschaft einen Professor kennengelernt zu haben, der ihm erlaubte, eine Prüfungsarbeit ganz nach seinem Gusto zu erstellen: »Die Förderung des Breitensports durch journalistische Arbeit in der lokalen Presse.«
    Dieses Thema ermöglichte es Blüm, sein Studium mit seinem derzeitigen Gelderwerb zu verbinden. Seit seiner Schulzeit arbeitete er in der Sportredaktion der Backnanger Kreiszeitung mit, eine lockere, aber dennoch verbindliche Tätigkeit. Er hatte sich verpflichtet, alle lokalen Radsport- und Leichtathletik-Veranstaltungen zu begleiten und aktuell in Wort und Bild darzustellen. Zudem begleitete er abwechselnd eine der beiden Verbandsliga-Fußballmannschaften der Stadt zu ihren Auswärtseinsätzen, um einen ausführlichen Bericht über das Spiel zu liefern.
    Er sprang aus dem Bett, duschte kurz, zog seine Radsportkleidung an. Vor dem Spiel heute mittag in Fellbach wollte er noch eine Runde drehen, am besten jetzt in der Frühe, solange die Straßen noch leer und die Luft frisch waren. Er ging in die Küche, wo seine Mutter immer eine Kanne Tee für ihn vorbereitet hatte, füllte seine Radflasche voll, trank den Rest. Als er das Fahrrad aus der Garage holte, war es kurz vor halb sieben.
    Blüm ließ das Rad abwärts rollen bis zur Sulzbacher Straße, folgte dieser dann weiter über die Bundesstraße in Richtung Murrhardter Wald. Der Verkehr war noch ruhig, die Strecke angenehm zu fahren. Kurz vor Strümpfelbach donnerte ein Pulk knatternder Motorräder in der Gegenrichtung an ihm vorbei, dann passierte er das Altenheim, in dem er seinen Zivildienst geleistet hatte. Blüm warf einen Blick hoch zu dem mächtigen, langgezogenen Bau, ließ das Fahrrad bergab rollen. Oppenweiler schien noch zu schlafen, die Läden der meisten Häuser waren geschlossen, nur wenige Autos kamen ihm entgegen oder überholten ihn. Er folgte der Bundesstraße bis Sulzbach, bog dann auf den asphaltierten Weg, der der Murr folgte.
    Der Fluss trug schwer an den Folgen des nächtlichen Gewitters: Braune Brühe wälzte sich durch das begradigte Bett. Als Blüm Murrhardt fast erreicht hatte, fiel es ihm ein: Er hatte gestern Abend in der Hektik des aufziehenden Gewitters seinen Laptop in der Redaktion der Zeitung zurückgelassen, musste ihn unbedingt noch holen, bevor er zu dem Spiel fuhr.
    Er stoppte das Rad, stieg ab, streckte sich, lief kurz hin und her, um seine Muskeln zu lockern, trank von seinem Tee. Der Fluss plätscherte laut, transportierte Äste und Zweige von entwurzelten Bäumen mit sich. Blüm beschloss, auf der Stelle umzukehren, stieg wieder in den Sattel, folgte der schmalen Straße am Fluss entlang. Der Weg war angenehm, führte stetig leicht abwärts. Autoverkehr war hier zum Glück untersagt. Nur einige wenige frühe Radler kamen ihm entgegen. Tobias Blüm hörte das Zwitschern der Vögel in den Hecken am Fluss, sah Hasen, Rehe, Fasanen am Rand des nahen Waldes und auf den Feldern. Einmal rauschte ein Zug auf der nahen Bahnstrecke vorbei.
    Zwanzig Minuten später hatte er die Bleichwiese in Backnang erreicht. Obwohl er sich jetzt mitten im Zentrum der kleinen Stadt befand, waren die Straßen noch immer ruhig und leer, wie ausgestorben; alle schienen noch zu schlafen. Zweihundert Meter vor ihm raste ein Taxi quer über die Kreuzung, keinerlei Verkehrsregeln beachtend, dem heute geschlossenen Einkaufszentrum zu.
    Blüm holperte mit dem Fahrrad auf den Gehweg, fuhr auf die breite Brücke, welche die Murr überquerte. Auch hier war der Fluss von den Folgen des nächtlichen Gewitters gezeichnet: Die braunen Schlammfluten schoben sich mit atemberaubender Geschwindigkeit über das wenige Meter entfernte Wehr, rasten wasserfallartig das fast mannshohe Gefälle im Flussbett hinab. Äste, Zweige, kleine Baumstämme, Kartonagen, Plastikflaschen wurden mitgerissen, Flaschen, ein Reifen, Abfall jeder Art, den das durch die Gewitterregen über die Ufer tretende Hochwasser irgendwo am Rand des Flussbetts mit sich gerissen hatte. Die Schwäne, Enten und anderen Wasservögel, die sich bei normalem Wasserstand in der Nähe der Bleichwiese aufhielten, schnatternd hin und her schwammen, in der Gewissheit, einen der zahllosen

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