Schwaben-Messe
grundanständiger Mensch, überlegte Braig, der noch nie willkürlich in seinem Betrieb gefehlt hatte.
»Vorher würde ich Ihnen aber gern jemanden zeigen. Es geht sehr schnell. Wenn Sie einverstanden sind?«
Holzwarth nickte, begleitete ihn zu seinem Wagen. Zehn Minuten später standen sie vor dem Anwesen Grandels.
»Hier war es«, erklärte Robert Holzwarth, »genau hier. Sehen Sie, da steht die Lampe. Und hier war der Mann, der jetzt in der Zeitung abgebildet ist. Hier. Genau hier.«
»Und Sie? Wo befanden Sie sich?«
Holzwarth blickte sich um, versuchte sich zu orientieren. Er sah den Eingang zum Lokal, lief darauf zu, blieb unvermittelt stehen. »Hier etwa, ja genau, an dieser Stelle sah ich den Mann zum ersten Mal.« Er stand direkt vor der Gaststätte, schaute zu Grandels Anwesen. Es waren keine fünfzig Meter. »Und dann lief ich langsam auf ihn zu, weil er so zeterte. Ungefähr bis hierher. Ja, so weit etwa.« Er blieb stehen, fünf Meter vor dem schmiedeeisernen Tor in der Mauer, die Grandels Haus umgab. »Und da stand der Mann. Ich sah ihn voll im Licht.«
Braig nickte, betrachtete die kunstvoll herausgearbeiteten Tierfiguren des Eingangs, läutete. »Achten Sie bitte auf die Frau, ob Sie sie kennen«, flüsterte er Holzwarth zu. Durch das Gitter hindurch sah er das bunt gemischte Blumenbeet, das zum Haus hin abfiel. Kampfspuren oder Zerstörungen gleich welcher Art waren nirgends zu erkennen.
Sabine Grandel öffnete, ganz in Schwarz. Sie trug ihre blonden Haare zu einem Zopf geflochten um den Hinterkopf gelegt. Ihr Gesicht war sehr dezent geschminkt, die Lippen blass in hellem Rot. Ihr dunkler Hosenanzug unterstrich ihre Trauer. Zögernd kam sie näher, öffnete das Tor.
»Das ist die Frau vom Freitag«, flüsterte Holzwarth in Braigs Rücken.
Braig begrüßte Sabine Grandel, wandte sich dann zu dem Mann. »Sie sind sich sicher?«
Holzwarth zögerte keine Sekunde. »Ja. Die Haare sind anders. Aber trotzdem.«
»Danke«, erklärte Braig, »würden Sie bitte drei Minuten auf mich warten?« Er sah den fragenden Blick Sabine Grandels, bat sie um Eintritt ins Haus. Sie lief vor ihm her, führte ihn in das Wohnzimmer mit dem überwältigenden Ausblick. Braig hatte es eilig, ließ sich nicht ablenken.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
Er schüttelte den Kopf, blieb stehen. Sie war unsicher, wusste nicht, wie sie auf seinen Besuch reagieren sollte.
»Sie haben uns belogen«, sagte er unvermittelt, ohne Vorwarnung, mit lauter Stimme und aggressivem Ton.
Sabine Grandel sah ihn überrascht an, erbleichte sichtbar.
»Belogen?« stotterte sie.
»Ihr Mann war Freitagnacht hier bei Ihnen und stritt sich mit einer Frau vor dem Haus. Nach der Veranstaltung in Stuttgart.«
Sie blickte mit flackernden Augen an ihm vorbei, starrte in die gegenstandslose Ferne. »Am Freitag …«
»Sie haben uns belogen«, fuhr er sie an, »Frau Grandel, ich gebe Ihnen fünf Minuten. Entweder Sie sagen mir jetzt die Wahrheit, oder ich nehme Sie mit ins Landeskriminalamt. Also?«
Die Frau sank fast lautlos auf das breite, dunkle Ledersofa, gab keinen Ton von sich, starrte auf den Boden. Unten im Tal erstreckten sich die weitgehend abgeernteten Felder bis zu den Häusern des nahen Winnenden. Braig betrachtete die spitzgieblig emporragenden Stadttürme, die dem Stadtbild ein romantisches Aussehen verliehen.
»Mein Mann ist tot«, flüsterte Sabine Grandel mit zarter Stimme, »ermordet.«
»Wer war es? Was wissen Sie darüber?« Braig war nicht bereit, das Spiel der trauernden Witwe mitzumachen.
»Ich?«, fragte sie, richtete sich mit einem Ruck auf, sah ihm in die Augen. »Sie wollen doch nicht mich beschuldigen? Mich?«
»Wann sahen Sie ihn zum letzten Mal?« knurrte er.
»Sie wissen es doch«, antwortete sie schnell, »Freitagnacht. Nach seiner Diskussion.«
»So?« Er schwieg überrascht, starrte sie an. »Am Samstag klang das noch ganz anders. Warum haben Sie uns angelogen?«
Sabine Grandel fuhr sich mit der Rechten sanft über das Gesicht. »Das tut mir leid. Ich wollte Sie nicht belügen. Wirklich nicht. Warum auch? Ich war vollkommen durcheinander. Roger war verschwunden, spurlos. Ich wusste nicht mehr aus noch ein. Dann kamen Sie und fingen von dieser Frau am Flughafen an, die ihre satanischen Messen feiert und erzählten, dass er an dem Abend schon in Stuttgart mit ihr aneinandergeraten war, und da war mir klar, dass die Sache schreckliche Folgen gehabt haben musste.«
»Was lief Freitagnacht hier
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