Schwaben-Messe
ab?«
»Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme war ganz dünn, drohte zu versagen. »Es war spät, als ich draußen Geräusche hörte. Ich öffnete die Tür, sah die beiden miteinander schreien und aufeinander einschlagen. Voller Angst brüllte ich die Frau an und forderte sie auf, von unserem Grundstück zu verschwinden. Die ließ sich nicht beirren, schrie weiter, drängte Roger zurück. Ein paar Minuten später verschwanden beide aus meinem Blickfeld. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Braig betrachtete die Frau ungläubig. »Das fällt Ihnen jetzt auf einmal wieder ein?«
Sabine Grandel lehnte sich auf ihrem Sofa zurück. »Sie haben noch nie einen Angehörigen verloren, wie?« Sie schwieg, Tränen rannen ihr aus den Augen. »Mein Mann wurde ermordet, und Sie kommen her und schreien mich an, als sei ich es gewesen. Ich! Warum?«
Braig spürte, wie er langsam unsicher wurde, versuchte sie zu beruhigen. »Kein Mensch behauptet, Sie seien in die Sache verwickelt. Aber warum haben Sie uns diese wichtige Beobachtung verschwiegen?«
Sie lehnte wie ein Häuflein Elend auf dem Sofa, schien darin zu versinken. »Es tut mir leid«, stammelte sie, »wirklich. Ich war zu aufgeregt. Ihr Bericht, dass der Streit schon in Stuttgart begonnen habe, brachte mich total durcheinander. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich gehofft, es sei nur eine eher harmlose Sache, dass er vorübergehend verschwunden war, aber als Sie dann ankamen und von der bösartigen Frau und dem Tumult im ›Haus der Wirtschaft‹ erzählten … Ich sah die nächtliche Szene wieder vor Augen, wusste plötzlich, warum er nicht mehr gekommen war. Die Frau hatte ihn verfolgt, bis zu uns und dann zugeschlagen, und ich war noch mit schuld daran, weil ich ihn und diese Mörderin durch mein Geschrei von unserem Haus vertrieben und in die Nacht geschickt hatte. Ich, ich war mit daran schuld, was sie ihm angetan hatte …« Tränen liefen ihr über die Wangen, machten es ihr unmöglich, weiter zu reden. Sie hatte sich ins Eck des Sofas gedrückt, heulte ohne jede Hemmung.
Es hatte keinen Sinn mehr, sie noch länger zu belästigen. Ihr Zustand verlangte einen Arzt, keinen Polizisten. Braig lief zu ihrem Telefon, blätterte im Adressenverzeichnis, informierte den Hausarzt über ihren Zusammenbruch. Der Mann versprach, vorbeizuschauen.
Braig legte den Hörer nieder, verließ das Haus, ohne sich zu verabschieden. Ihr Schluchzen hallte bis in den Garten, als er die Tür öffnete.
Draußen stand Robert Holzwarth und blickte ihn mit großen Augen an.
19.
Das Autohaus Jahn lag nicht weit von der Bahnlinie entfernt am Rand Esslingens. Ein moderner, durch und durch gläserner Bau mit einem kleinen pavillon-ähnlichen Nebengebäude, in dem sich die Geschäftsräume befanden.
Neundorf kämpfte sich durch das Gewirr gebrauchter oder beschädigter japanischer Modelle, ließ sich von einem geschniegelten Haargel-Krawatten-Yuppie den Weg zeigen. Sie verzichtete auf eine Unterhaltung mit dem nach teurem Rasierwasser duftenden Mann, lief zum Büro. Die Sekretärin, Frau Rettenmaier, befand sich mitten in einem lauten, erregten Telefongespräch. »Ja, ich werde es Ihnen sofort mitteilen, wenn er im Haus ist. Dann regeln Sie die Sache mit ihm persönlich«, erklärte sie mit Nachdruck. Ihr auffallend hübsches Gesicht war leicht gerötet. Sie sah zu Neundorf auf, wies ihr einen Platz auf einem der beiden Stühle am Rand ihres Schreibtischs zu, wischte sich ihre Haare von der Stirn. Die Haare waren schwarz, rabenschwarz, reichten ihr in der Form eines Zopfes bis auf die Schulter. Neundorf konnte kein Anzeichen dafür entdecken, dass sie gefärbt waren. Sie schätzte die Frau auf Anfang zwanzig. Ihre Augen leuchteten kräftig blau, die kleine, spitze Nase vermittelte ihrem Gesicht ein spitzbübisches Aussehen.
Ohne das Telefonat zu stören, setzte sie sich auf einen der beiden Stühle, betrachtete die Einrichtung des Raums. Links vom Schreibtisch hing ein großes Stillleben mit Blumen, deren Blüten in kräftigen Farben leuchteten. Gelbe Sonnenblumen, roter Mohn, blaue Kornblumen. Zwischen Computer und Telefon stand eine blaue Keramikvase, gefüllt mit einem kleinen Strauß zarter, kurzstieliger, rosafarbener Rosen. Die meisten waren gerade am Aufblühen, schenkten dem Raum ihren feinen Duft, wie er sonst nur in Blumenläden wahrzunehmen ist.
Die bildhübsche, junge Frau, die Blumen, das Aquarell, das zarte Aroma der Rosen, wahrlich ein beneidenswertes Umfeld, in dem Jahn hier
Weitere Kostenlose Bücher