Schwaben-Messe
gewirkt hatte. Sein Arbeitsplatz lag keine fünf Meter von Neundorfs Sitzplatz entfernt, deutlich erkennbar an dem Namensschild auf dem zweiten Schreibtisch des Raums. Ob er ihr Avancen gemacht hatte, einem anderen Verehrer ins Gehege gekommen war? Neundorf betrachtete die junge Frau, wie sie auf den Gesprächspartner am Telefon reagierte, sich auf dem Stuhl hin- und herbewegte, ihr Gesicht dann plötzlich in Falten legte: Ganz der Typ Frau, auf den die Männer fliegen. Ob hier die Hintergründe für Jahns bestialische Ermordung zu finden waren?
Britta Rettenmaier hatte das Gespräch kopfschüttelnd beendet, legte den Telefonhörer verstört auf den Apparat. Sie benötigte einige Sekunden, um sich zu sammeln und auf die Besucherin zu konzentrieren. Langsam kehrte das Lächeln in ihre Miene zurück. »Was kann ich für Sie tun?«
»Neundorf ist mein Name. Ich komme vom Landeskriminalamt.«
»Oh, wir haben heute Morgen schon miteinander telefoniert, ja?«
Neundorf nickte, dachte an das Gespräch zurück.
»Über den Ansatz zum Bierbauch meines Chefs.« Britta Rettenmaier kicherte. Sie wusste offensichtlich nicht, was vorgefallen war. »Es tut mir leid, aber er ist immer noch nicht da. Ungewöhnlich, muss ich sagen. Ich weiß auch nicht, wann er kommen …«
»Er wird überhaupt nicht mehr kommen«, unterbrach Neundorf ihre Entschuldigung, »Herr Jahn ist tot.«
Die Sekretärin sah sie nur an, schien den Inhalt ihrer Worte nicht zu begreifen. »Wie meinen Sie das?«
»Er wurde ermordet. Gestern Abend.«
Britta Rettenmaier schüttelte den Kopf, stand langsam, wie in Trance, von ihrem Stuhl auf. »Aber er hat doch mehrere Termine heute Mittag, heute Abend, die ganze Woche …« Sie lief zu seinem Schreibtisch, holte seinen Kalender, legte ihn Neundorf vor, wies auf die entsprechenden Seiten. »Hier, sechzehn Uhr, Gespräch mit Hermann Gerlacher, wegen der Schäden an dessen Neufahrzeug. Habe ich extra angesetzt, das Treffen, bevor der Kerl durchdreht. Der lässt mir keine Ruhe, blockiert dauernd die Leitung. Herr Jahn muss kommen, das geht nicht. Der Mann hat am Samstag schon randaliert, der schlägt mir noch alles kurz und klein.«
»Gerlacher? Haben Sie die Adresse?«
Frau Rettenmaier nickte, eilte zu ihrem Schreibtisch, reichte Neundorf ein Papier. Sie überflog es, begriff, um was es ging. Ein böser Beschwerdebrief, dessen Autor den vollen Kaufpreis für sein Neufahrzeug zurückverlangte, andernfalls er schlimme Konsequenzen androhte.
»Und dann, heute Abend, hier«, Britta Rettenmaier eilte zurück, zeigte auf das Kalendarium, »achtzehn Uhr. Wichtiges Gespräch mit Herrn Heinel. Es geht um den Verkauf des Betriebes.«
»Welches Betriebes?«
»Hier. Unseres Hauses. Aber das geht doch nicht. Herr Jahn ist …«
Endlich schien sie zu begreifen, was vorgefallen war. Sie setzte sich auf ihren Stuhl hinter den Schreibtisch, verharrte regungslos. Neundorf ließ ihr Zeit.
»Ermordet?«, fragte Britta Rettenmaier nach einer Pause von einigen Minuten.
»Leider, ja.«
»Warum?«
»Wir wissen nichts.«
»Er hat doch niemand was getan!«, rief sie, fast zornig.
»Sie kannten ihn gut?«
»Er ist mein Chef. Seit fast fünf Jahren.«
»So lange schon?«
»Ja, im September sind es fünf Jahre.«
»Wie kamen Sie zu der Stelle?«
»Über Frau Peters, seine ehemalige Frau. Meine Mutter lernte sie in einem Volkshochschulkurs kennen. Ich war gerade fertig mit meiner Ausbildung.«
»Sie arbeiten gerne hier?«
Britta Rettenmaier nickte, ohne zu zögern. »Wir verstehen uns gut, Herr Jahn und ich. Er ist sehr großzügig. Es könnte kaum besser sein. Nur ab und an der Ärger mit Kunden.«
»Sie kannten ihn auch privat sehr gut?«
»Privat?« Die Sekretärin errötete leicht. Das steht Ihnen gut, würde ein dämlicher Mann jetzt flöten, überlegte Neundorf, um sich bei dem hübschen, jungen Ding einzuschmeicheln. Und wahrscheinlich war sie eitel genug, um sich davon beeinflussen zu lassen.
»Er ist sehr zurückhaltend«, erklärte Britta Rettenmaier, »von seinem Privatleben bekomme ich wenig mit.«
Neundorf sah ihr voll in die Augen, beobachtete sie genau, glaubte, dass sie die Wahrheit sagte. »Ich dachte, die Blumen seien von ihm.« Sie deutete auf den erlesenen Strauß.
Britta Rettenmaier errötete wieder. Sie hatte sich tatsächlich noch viel von jugendlicher Offenheit bewahrt. »Schon. Aber ohne tieferen Hintergrund. Schließlich habe ich meinen Freund.«
»Der ist nicht eifersüchtig? Wenn Ihnen Ihr
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