Schwaben-Messe
Frau?«
Sein Gesprächspartner ließ mit der Antwort auf sich warten. Braig gab ihm Zeit zum Überlegen, drängte nicht.
»Eher eine Frau«, sagte Holzwarth dann, »schon allein deswegen, weil sie viel schwächer war als der Mann aus der Zeitung.«
»Schwächer?«
»Ich glaube es jedenfalls. Sie hatte kaum eine Chance, als sie aufeinander losgingen, wich immer weiter vor dem Mann zurück.«
Braig begriff, was die Aussage Holzwarths bedeutete. Wenn es wirklich Grandel gewesen war, den er um diese Uhrzeit gesehen hatte, eine fremde Person und die blonde Frau dazu, änderte das ihr bisheriges Bild gewaltig. Dann war der Manager nach der Stuttgarter Diskussion nämlich unversehrt nach Hause gekommen und dort in einen Streit geraten, warum auch immer. Und seine Frau, die Wert darauf gelegt hatte, ihn nach der Veranstaltung nicht mehr zu Gesicht bekommen zu haben, hatte gelogen.
Was die Person im Dunkeln anbetraf, konnte es sich durchaus um Frau Krauter handeln. Eher eine Frau, hatte Holzwarth geäußert, sie war schwächer als Grandel. Ob sie ihm von Stuttgart nach Bürg gefolgt war und ihn vor seinem Haus »gestellt« hatte? Warum aber hatte Grandels Frau ihnen diesen Sachverhalt nicht mitgeteilt?
»Wie ging es weiter?«, fragte Braig. »Was machte der Mann?«
»Er schrie. Die ganze Zeit. Der war außer sich, total. Brüllte die andere Person an, die ganze Zeit.«
»Und?«
»Ja gut«, Holzwarths Redefluss versiegte, er stotterte leicht, »also normalerweise, ich weiß, sollte man eingreifen, Nachbarschaftshilfe und so, aber konnte ich ahnen, dass der wütende Kerl bald ermordet wird? Immerhin stand ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt, als Elvira und meine Frau hinter mir zeterten. Da lief ich wieder zurück, und das war es dann. Aber der Mann schrie noch immer, und mir kam es auch so vor …« Er verstummte, blieb ruhig.
»Ja, was denn?«, drängte Braig.
»Der Mann war inzwischen in den Vorgarten gelaufen und schlug mit einem Stock oder einem Knüppel, mit so was Ähnlichem jedenfalls, auf die andere Person ein. Und sehr stark«, fügte er hinzu.
»Wie? Der Ermordete auf die unbekannte Frau?«
»Ja«, bestätigte Robert Holzwarth, »genau. Aber ich habe nicht gesehen, was er in der Hand hatte. Er stand da im Schatten.«
Braig machte sich eifrig Notizen, wusste, dass er Frau Krauter auf etwaige Verletzungen überprüfen musste, bat den Mann, einen Augenblick zu warten. Dann holte er sich seine Unterlagen, suchte die Telefonnummer Frau Grandels, wählte am anderen Apparat. Die Frau nahm überraschend schnell ab.
»Frau Grandel, hier ist Braig vom Landeskriminalamt«, meldete er sich, »Sie erinnern sich?«
»Ja«, bestätigte die Frau, »Sie waren am Samstag hier mit Ihrem Kollegen.«
»Ich hätte eine große Bitte. Es geht um Ihren Mann. Dürfte ich kurz zu Ihnen kommen? In einer halben Stunde?«
Sabine Grandel zögerte. »Äh, also eigentlich wollte ich …«
»Nur kurz. Ich bin in dreißig Minuten bei Ihnen.«
Sie begriff, dass sie akzeptieren musste. »Also gut, wenn es nicht lange dauert.«
Braig bedankte sich, bat Holzwarth, sich im Geschäft zu entschuldigen und bei der Winnender Polizeistation auf ihn zu warten. Der Mann wollte widersprechen, zeigte Angst vor seinen Vorgesetzten, ließ sich dann aber auf Braigs Drängen hin breitschlagen. »Wenn es nicht anders geht«, seufzte er schließlich.
»Sie helfen uns sehr«, erklärte Braig.
Dreißig Minuten später hatte er die Polizeidienststelle in Winnenden erreicht. Robert Holzwarth stand auf der Straße, war sofort zu erkennen. Aufgeregt lief er vor der Behörde hin und her. Braig reichte ihm die Hand, stellte sich vor.
Holzwarth war Mitte fünfzig, hatte ein breites Gesicht und auffallend gut gepolsterte Wangen, kurze, dunkle Stoppelhaare, große, abstehende Ohren. Er trug ein dunkelgrünes Hemd, braune Cordhosen, feste Arbeitsschuhe. Ein kräftiger, nicht allzu großer Mann.
»Ich danke Ihnen«, Braig gab ihm seine Wertschätzung deutlich zu erkennen, »Ihre Beobachtung kann uns ein ganz schönes Stück weiter bringen.«
»Ich habe Probleme im Geschäft. Wissen Sie, so unverhofft auszufallen ist nicht meine Art. Wenn Sie mir vielleicht …«
»Ich werde Ihnen kurz etwas schreiben«, beruhigte ihn Braig, »mit dem Briefkopf des Landeskriminalamts.« Er zeigte auf das Papier, das er in Händen hielt. »Damit Ihr Chef von Ihrer wichtigen Hilfe erfährt.«
Holzwarth freute sich unübersehbar, seine Augen leuchteten auf. Ein
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