Schwaben-Messe
zurück, »das nicht. Die Beziehung war gelaufen, aus und vorbei. Aber im Verlauf der Jahre verloren sich unsere Aggressionen, heilten viele Wunden, trafen wir zusammen wie normale Menschen, ohne Pathos, ohne Animositäten.« Sie griff sich am Hinterkopf in die Haare, drückte die Spitzen leicht in die Höhe. Sie trug sie glatt, nur knapp über die Ohren, berührte sie immer wieder, offensichtlich eine nervöse Angewohnheit. »Es ist trotzdem schrecklich, vor allem der Anblick«, fügte sie mit leiser Stimme hinzu.
Neundorf nickte, wusste um die Problematik der Situation. Einen vertrauten Menschen – und sei die Nähe auch weite Vergangenheit – im Zustand Jahns unmittelbar und ohne große Vorwarnung vor sich sehen zu müssen, traf ins Innerste, erschütterte die stabilsten Fundamente des Daseins. Das Ende allen Lebens, sein endgültiges Ziel, unerbittlich und kalt hatte es den ehemaligen Lebensgefährten an sich gerissen.
»Wir können dennoch über ihn sprechen?«
Mona Peters nickte. »Wenn Sie mir einige Verständnisschwierigkeiten und eine verlangsamte Reaktion nachsehen, gewiss.«
»Wie lange leben Sie getrennt?«
»Fünf Jahre, seit vier sind wir geschieden.«
»Darf ich nach der Ursache fragen?«
Mona Peters griff sich wieder in den Nacken, drückte ihre Haarspitzen leicht in die Höhe. Aus den Lautsprechern schmetterte Tannhäuser seine Akkorde. »Es war höchste Zeit. Zwei völlig unterschiedliche Wesen hatten einen Teil ihres Lebens zusammen verbracht. Die Gemeinsamkeiten waren aufgebraucht, endgültig. Verschiedenartige Lebenskonzepte passen auf Dauer einfach nicht unter einen Hut, auch wenn man ihm ein überdimensionales Volumen zubilligt.«
»Seither blieben Sie aber immer in Kontakt, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Weitläufig, ja. Aber erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen alle Personen aufzähle und in ihrem Einfluss auf meinen ehemaligen Mann charakterisiere.«
»Hilfreich wäre das schon.«
»Aber nicht machbar. Jahn hatte damals schon seine eigene Welt, erst recht, seit wir getrennt leben. Für diesen Teil seiner Existenz empfand ich noch nie Interesse.«
»Seine Freunde kommen aus einer anderen Schicht als Ihre?«
»So könnte man es umschreiben, ja. Motorsportler«, sagte Mona Peters spitzzüngig, »was immer sich darunter verstehen lässt. Wettbewerbe darum, wer in lärmendem, stinkendem Blech am schnellsten durch Betonschluchten rast, korrespondierend zu den Mengen an Bier und Alkohol, die die Betrachter des Ganzen in sich hineinkippen. Das liegt nicht jedem.«
»Hatte Ihr ehemaliger Mann Feinde?«
Mona Peters lachte. »Das hätten Sie ihn selbst fragen sollen. Aber selbst Feinde pflegen heute ihre Gegner nicht von der Burgmauer zu stoßen. Normalerweise gibt es subtilere Methoden, sich eines Kontrahenten zu entledigen.«
»Selbst Feinde entmannen ihre Gegenspieler aber normalerweise nicht.«
»Wie bitte?« Mona Peters schoß im Sessel hoch, schaute ihre Gesprächspartnerin beunruhigt an. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Sie wussten es nicht?« Neundorf ärgerte sich selbst über ihre unbedachte Aussage. Natürlich wusste die Frau es nicht, woher auch? Sie hatten ihr nur das Gesicht des Mannes gezeigt, der Rest lag verdeckt unter einer großen Plane.
»Jahn?«
Neundorf nickte.
»Meine Welt!« Mona Peters schüttelte ungläubig den Kopf. »Wer tut so etwas?«
»Das würde ich auch gerne wissen.«
»Oben auf der Mauer?«
Neundorf wartete mit ihrer Antwort, betrachtete die Frau. Peters trug ein weites, helles Männerhemd, schwarze Stoffhosen, sommerlich leichte Sandalen.
»Wahrscheinlich, ja. Noch haben wir nicht alle Spuren gefunden.«
»Jahn? Wozu? Was bringt das?« Peters bog ihren linken Arm zurück, massierte sich schwerfällig den Hals. Sie schüttelte den Kopf, stöhnte laut. »Ein Psychopath, oder?«
Neundorf gab keine Antwort.
»Meine Welt, wieso? Er hatte doch nichts laufen zur Zeit, oder? Wozu der Wahnsinn?«
»Darüber sind Sie sicher besser informiert als ich.«
»Ein psychopathischer Nebenbuhler?« Peters schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass er zurzeit eine Affäre hatte. Nicht mal mit seiner hübschen Sekretärin. Er war nicht verändert, gestern Mittag. Nur schlecht gelaunt. Und nervös.«
»Nervös?«
»Nichts Ungewohntes. Jahn lebte seit mehreren Wochen in einer aufgeregten, nervösen Atmosphäre. Irgendetwas lief nicht so, wie es sollte. Vielleicht das Geschäft? Seine Spielbankschulden?«
»Spielbankschulden?«
»Er
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