Schwaben-Sumpf
Sie müssen mit Martin sprechen. Er hat das alles entdeckt.«
»Das werde ich tun, sobald wir ihn aufgetrieben haben. Aber berichten Sie mir doch vorher, was Sie wissen.«
Reinhard Welter erhob sich, griff in seine Tasche, zog ein Handy vor. »Ich will nichts unversucht lassen«, sagte er, »vielleicht erreiche ich ihn jetzt.« Er gab die Nummer Bohnwalds ein, wartete, schob das Gerät zur Seite. »Seine Mailbox, immer nur seine Mailbox. Ich verstehe nicht, warum er nicht abnimmt. Langsam wird mir das unheimlich, nach dem, was gestern Abend hier geschehen ist.«
»Wo wohnt er?«, fragte die Kommissarin. »Gibt es keine andere Möglichkeit, ihn zu erreichen? Vielleicht hat er sein Handy verlegt.«
Welter schüttelte den Kopf. »Ich habe bei seiner Lebensgefährtin angerufen. Sie weiß nicht, wo er sich aufhält, macht sich aber keine Sorgen. Das sei sie gewöhnt, meinte sie.«
»Was hat er entdeckt? Irgendwelche schmutzigen Geschäfte?«
»So kann man das formulieren, ja. Schmutzige Geschäfte, das trifft es wohl am ehesten. Obwohl es einer maßlosen Untertreibung …«Er hielt mitten im Satz inne, starrte zu seinem Handy, das rhythmisch vibrierte. »Sie entschuldigen«, sagte er, starrte auf das Display, dann mit aufgeregter Miene zu seiner Besucherin. »Er ist es. Endlich.« Er nahm das Gespräch an, lauschte auf die Stimme am anderen Ende.
Neundorf verstand kein Wort, merkte nur, wie ihr Gegenüber unruhig auf seinem Stuhl hin und her schwankte und sie mit nervösen Blicken bedachte.
»Die Polizei ist hier«, sagte er dann, »respektive eine Beamtin. Sie will mit dir reden wegen gestern Abend.« Er wartete die Antwort seines Gesprächspartners ab, reichte das Handy dann über den Tisch. »Am besten, Sie sprechen persönlich mit ihm«, erklärte er, Neundorf zugewandt, »er weiß ja jetzt, dass Sie hier sind.«
Die Kommissarin nahm das Gerät entgegen, stellte sich vor. »Neundorf vom LKA. Ich spreche mit Herrn Bohnwald?«
»Martin Bohnwald, ja.«
Die Stimme kam ihr bekannt vor. Irgendwann hatte sie sie schon einmal gehört. »Es geht um Herrn Heimpold. Sie haben ihn gestern Abend getroffen.«
»Bei Herrn Welter, ja. Er hat Ihnen alles erzählt?«
»Nein. Das will er Ihnen überlassen.«
»Okay, das lässt sich machen. Es ist geklärt, dass Herr Heimpold absichtlich überfahren wurde?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Allerdings«, antwortete Bohnwald. »Dann gehe ich heute noch mit meinem ganzen Material an die Öffentlichkeit.«
»Er wurde absichtlich überfahren, ja. Wir haben eine Augenzeugin. Sie glauben, sein Tod hat mit Ihrer journalistischen Tätigkeit zu tun?«
»Ich fürchte, ja.«
»Weshalb haben Sie sich dann nicht schon längst an uns gewandt – vor seinem Tod zum Beispiel?«
Bohnwalds Antwort ließ einen Moment auf sich warten. »Ich wusste, dass ich in ein Wespennest gestochen habe. Dass es so gefährlich wird, konnte ich nicht ahnen.«
»Ich muss sofort persönlich mit Ihnen sprechen. Wo lässt sich das verwirklichen?«
»Im Moment sitze ich in einem Lokal. Sie müssten es kennen. Zum alten Wetzstein in Fellbach. Viele Ihrer Kollegen verkehren hier.«
»Mich eingeschlossen«, bekannte Neundorf.
»Aber vielleicht ist es besser, Sie kommen zu mir nach Hause. Ich wohne in Korb in der Hanweiler Straße.« Er nannte die Hausnummer, bat sie, bei Schreider zu läuten. »Das ist der Name meiner Partnerin. Da kann ich Ihnen etwas zeigen, was wahrscheinlich mit dem Tod von Robert Heimpold zu tun hat.«
»Was soll das sein?«
»Warten Sie ab. Wann treffen wir uns?«
»Je schneller, desto besser«, antwortete sie. »Ich fahre sofort los.«
Er zeigte sich einverstanden, verabschiedete sich.
Aber passen Sie gut auf sich auf, lag ihr noch auf der Zunge, als sie bemerkte, dass er die Verbindung bereits unterbrochen hatte.
Wenn das nur kein schlechtes Omen ist, überlegte sie.
22. Kapitel
Die Hanweiler Straße lag am östlichen Ortsrand von Korb unmittelbar unter dem erst vor wenigen Jahrzehnten im Rahmen der Flurbereinigung frisch parzellierten Hang der weithin sichtbaren Weinberge, einer der berühmtesten Trollinger-Lagen Württembergs. Neundorf hatte keine Mühe, den Weg zu finden, war Korb doch in den letzten Jahren mit Waiblingen, ihrem Wohnort, durch umfangreiche Siedlungserweiterungen fast zusammengewachsen. Einzig das unablässig Lärm und Gift speiende Betonband der autobahnmäßig ausgebauten Bundesstraße 14 wirkte als letzte, beide Gemeinden trennende Barriere.
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