Schwaben-Sumpf
die Afrimport.«
»Die Firma hatte mit diesen Vorgängen zu tun?«
»Sie arbeiteten unter einem anderen Namen. Afro-Suabian Trade. Hübsch, nicht? Wir konnten zwei ihrer Agenten mit viel Geld zu einer Aussage bewegen, die sie zusammen mit einem Kollegen beeideten. Die Afro-Suabian Trade, die im Auftrag der großen Ölkonzerne an der Erschließung der Ölquellen mitarbeitete, hatte ganze Brigaden von Kindersoldaten aufgestellt, sie bewaffnet und mit Drogen versorgt und dann auf die Dörfer losgelassen. Wissen Sie, wozu mit Drogen vollgepumpte Kinder fähig sind, wenn sie, Maschinengewehre in den Händen, auf unbewaffnete Menschen losgelassen werden?« Er gab einen neuen Befehl ein, ließ das Bild eines völlig zerstörten Dorfes erscheinen. Reste von Holzhütten waren zu erkennen, Stümpfe von Bäumen, verstümmelte, teilweise verbrannte Leichen von Erwachsenen und Kindern, Kadaver von Tieren.
»Das ist eine meiner eigenen Aufnahmen«, sagte er, »ich hätte sie beinahe mit dem Leben bezahlt. Einer der mit Drogen abgefüllten jungen Killer war noch in der Nähe, wir hatten ihn nicht bemerkt. Mein amerikanischer Kollege hatte eine Waffe dabei, knallte das Monster ab. Es hatte schon auf uns angelegt.«
Bohnwald blies eine blaugraue Wolke von sich, klopfte mit den Knöcheln seiner Linken auf den Tisch. »Was die beiden Agenten der Afro-Suabian Trade anbelangt, die über die Geschäftspraktiken der Firma ausgesagt hatten: Sie konnten mit den Dollars, die wir ihnen gezahlt hatten, nicht viel anfangen. Zwei Tage später fanden wir ihre verunstalteten Leichen.«
»Das alles unter Heimpolds Regie?«
»Nein«, entgegnete der Mann. »Er hat damit nichts zu tun.«
Neundorf schaute ihn verblüfft an. »Aber ich dachte …«
»Heimpold kam erst 2001 zur Afrimport. So nannte sich die Firma inzwischen, nachdem der ursprüngliche Name durch unsere Recherchen zu sehr belastet worden war. Auf Heimpold stieß ich erst später, in anderem Zusammenhang.«
Bohnwald erhob sich von seinem Platz, griff nach einem Couvert, das er mit dem Laptop mitgebracht hatte, entnahm ihm ein Video. »Bitte schauen Sie sich das an.« Er ging zur TV-Kombination, schob das Band in den Recorder, schaltete ein. Es dauerte ein paar Sekunden, dann ging das Geflimmer abrupt in ein seltsam dämmriges, leicht verschwommenes, dazu völlig verwackeltes Bild über.
Neundorf hatte Schwierigkeiten, etwas zu erkennen. Der Film schien bei Nacht aufgenommen, noch dazu aus einer dem Boden nahen, ungewohnten Perspektive. Nichts war scharf justiert, alle Gegenstände nur verschwommen zu erahnen. Ein, zwei Sekunden verharrte das Bild ruhig, dann tanzte es wieder hektisch hin und her. Mit der Akustik war es nicht besser: Ein einziger Brei sich gegenseitig überlappender Geräusche, ein undefinierbares Rauschen, dazu ständiges Klopfen, ab und an heftiges Atmen. Erst nach zwei, drei Minuten wurde es besser, verharrte die Kamera plötzlich auf der Stelle.
Neundorf konzentrierte sich auf das Bild, sah, wie sich die einzelnen Gegenstände immer deutlicher aus der Dunkelheit lösten. Sie blickte direkt in ein riesiges tiefes Loch, mehrere hundert Meter im Durchmesser und, soweit sie es beurteilen konnte, vielleicht dreißig, vierzig Meter tief. Mit unzähligen halbnackten, meist nur mit einer kurzen Hose bekleideten Männern, wenigen Frauen und einzelnen Kindern, die mit Hacken und Schaufeln tief unten in der Erde gruben, die Eimer füllten oder die Eimer auf dem Kopf, sich auf schmalen Klettersteigen den Hang hoch bemühten, ein Gewusel wie in einem Ameisenhaufen mit lodernden Fackeln tief am Boden des Lochs, deren flackernde Flammen das Ganze in ein dämmriges, unwirkliches Licht tauchten. Oben, am Rand der riesigen Grube, eine Reihe aufmerksam in die Tiefe starrender Männer. Dann, deutlich zu erkennen, im hin und wieder für wenige Sekunden stärker aufleuchtenden Schein der Feuer das blankgeputzte Messing der Gewehre, mit denen sie in die Tiefe zielten. Neben der schwer bewaffneten Soldateska eine Unmenge wartender Lastwagen mit heulenden Motoren, über und über mit Dreck verschmiert.
Neundorf konzentrierte sich auf das Geschehen, sah, dass es sich dem Körperbau nach großenteils um Halbwüchsige, vielleicht vierzehn-, fünfzehnjährige Jugendliche handelte, die dort mit den Gewehren warteten. Unmittelbar vor ihnen eine steile Rampe, ein lehmiger Weg, der direkt aus dem Abgrund zu den Lastwagen führte. Unzählige Menschen schleppten hier ihre Eimer hoch und
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