Schwaben-Sumpf
sie, hörte das Lachen ihrer Gesprächspartnerin.
»Selten«, gab die Frau zu, »aber heute …«
»Hängt das mit einem vor Kurzem eingegangenen Anruf zusammen?«
»Oh, Sie wissen Bescheid?«
Neundorf trommelte mit der Rechten auf ihren Schreibtisch. »Schwäbischer Sumpf. So langsam kenne ich die Verhältnisse. Wissen Sie, wie lange ich schon hier arbeite?« Sie hörte eine laut bellende männliche Stimme im Hintergrund, hatte kurz darauf das Flüstern Renate Kreiselmaiers am Ohr.
»Ich verbinde Sie jetzt. Viel Glück.«
Die Kommissarin wollte sich noch verabschieden, sah sich im selben Moment schon mit den ersten freundlichen Worten traktiert.
»Sind Sie jetzt voll … vollkommen übergeschnappt?«, dröhnte Kochs zornige Stimme durch die Leitung. Er hatte Mühe, sich korrekt auszudrücken, verhaspelte sich mehrfach. »Sind Sie … Sie noch bei Trost?«
Sie blieb ruhig, ließ ihn reden. Kotz dich nur aus, du jämmerliches Babyface, wenn es deinem seelischen Gleichgewicht dient. Sie hielt den Telefonhörer vom Ohr weg, nahm ihn erst nach einer Weile wieder her, fragte dann laut: »Wie bitte?«
»Tun Sie nicht so scheinheilig«, zeterte er laut. »Sie können den Hals wohl nie vollkriegen, wie?«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Zügeln Sie sich! Ich weiß nicht, wie viele Dienstvergehen Sie sich noch leisten wollen. Eigentlich habe ich geglaubt, Ihre Methoden und Ihren Charakter zu kennen, und dachte, in Bezug auf Ihre Person könne mich nichts mehr überraschen, aber, aber …«Er geriet wieder ins Stottern, fand keine Worte, seine Empörung zu formulieren.
Der Anruf war also bereits erfolgt, wusste Neundorf, und er hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Wir da oben, ihr da unten. Wir haben es geschafft und halten zusammen, für uns gelten eigene Gesetze. Und wenn es von denen da unten einer wagt, gegen diese Rangordnung aufzumucken, zeigen wir es ihm gemeinsam. Kriechen und schleimen nach oben, treten und keilen nach unten. Der schwäbische Sumpf ist noch tiefer, als ich in meinen schlimmsten Albträumen befürchtet habe, wurde sie sich bewusst, ein übler schmieriger Morast, in dem die letzten Ideale von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit längst versunken sind. Wenn die denn jemals existierten in diesen Kreisen. Was eint die Bande, fragte sie sich, was außer skrupelloser Gier nach Macht und Geld hält sie zusammen? Sie hörte Kochs Wehklagen, schreckte aus ihren Gedanken auf.
»Können Sie denn nicht etwas mehr Rücksicht nehmen?«, fragte er. »Herr Meck hat seinen Geschäftsführer verloren, musste jetzt im Nachhinein erfahren, mit welch üblen Methoden der die Firma in Misskredit brachte …«
»Sie kennen Herrn Meck persönlich?«, fiel sie ihm ins Wort.
Koch stockte, suchte nach einer Antwort. »Was hat das damit zu tun? Ich kenne viele Persönlichkeiten, die sich um unser Land verdient gemacht haben, persönlich.«
»Wir sollten mit ihm sprechen.«
»Wieso?«, fragte er scharf.
»Er ist Mitinhaber der Firma und kennt daher wie kaum jemand sonst alle geschäftlichen Vorgänge.«
»Das ist nicht richtig. Herr Meck hat mir persönlich versichert, alle geschäftlichen Belange Herrn Heimpold überlassen und sich jeder Einmischung in die Firma vollkommen enthalten zu haben.«
»Das wird vor Gericht nicht ausreichen«, erwiderte Neundorf, »jeder Richter wird sofort wissen wollen, wieso wir ausgerechnet mit dem Besitzer der Afrimport nicht offiziell gesprochen haben. Der Geschäftsführer wird ermordet, und wir erkundigen uns nicht einmal beim Inhaber, ob der von geschäftlichen Problemen weiß?« Sie hörte, dass Koch widersprechen, sie auf die Bedeutung des Mannes hinweisen wollte, ließ sich nicht unterbrechen. »Außerdem müssen wir die Geschäftsunterlagen der Firma gründlich durchsehen«, fügte sie laut hinzu.
»Weshalb?«
»Wir suchen Herrn Heimpolds Mörder. Bei seiner führenden Stellung muss ich mich doch zuerst in seinem beruflichen Umfeld umschauen. Oder soll ich mich aufs Familiäre stürzen und mir seine Frau vorknöpfen?«
Der Oberstaatsanwalt beeilte sich zu widersprechen. »Um Gottes Willen, nein, lassen Sie seine Frau in Ruhe! Haben Sie denn überhaupt kein Mitgefühl?«
Das sagt genau der Richtige, überlegte sie, konzentrierte sich aber auf ihr Anliegen. »Das geschäftliche Umfeld der Afrimport ist ein heikles Pflaster. Afrika. Ich fürchte, da gelten oft andere Gesetze. Wer kommt für einen so heimtückischen Mord infrage? Konkurrenz oder unzuverlässige
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