Schwaben-Wahn
zu überlegen. Vielleicht können Sie uns helfen, die Person zu finden, die für den Tod Ihres ehemaligen Mannes verantwortlich ist.«
»Jaja, ich verstehe schon, worauf Sie hinauswollen«, sagte Stefanie Herzog, »aber jetzt einen Namen nennen?« Sie schaute überlegend zu der großen Bücherwand am anderen Ende des Raumes. »Ich schreibe über Freiheitsbewegungen im Schwäbischen, beschäftige mich mit Widerstand gegen Unterdrückung in unserer Geschichte. Ein heikles Thema. Was soll ich sagen? Irgendjemand, der Karl nach dem Leben trachtete? Das ist nicht ohne. Zumindest für die Person, deren Namen ich jetzt nenne. Die Konsequenzen für den Betreffenden kann ich mir lebhaft vorstellen. Sie werden ihm sofort auf den Leib rücken. Und sei es, dass mir der Name nur aus mangelnder Konzentration oder Unachtsamkeit von den Lippen kam.«
»Sie sollten sich dennoch darum bemühen«, bat die Kommissarin, »falls wir Sie damit in der gegenwärtigen Situation nicht überfordern. Wenn es Ihnen zu viel wird...«
»Unsinn! Ich sagte Ihnen doch, jeder von uns führte sein eigenes Leben. Auch wenn Ihnen mein Verhalten gefühlskalt erscheinen mag: Karl ist längst ein Fremder für mich. Die gemeinsamen Jahre liegen lange zurück.«
Braig betrachtete sein Gegenüber mit unverhohlener Überraschung. Die Frau schien wirklich mit allen Wassern gewaschen. Dass sie ihr ungewöhnlich abgeklärtes, von Emotionen freies Verhalten selbst so auf den Punkt bringen würde, hatte er nicht erwartet. Er fragte sich nur, ob es wirklich so echt war, wie sie tat, oder ob sie es ihnen nicht vorspielte, mit der Zielsetzung, einen Abstand zu ihrem Mann vorzugaukeln, der sie von jedem Tatverdacht befreien würde.
»Natürlich hat mich sein Tod getroffen«, setzte sie unvermittelt neu an, weil sie seine Verwunderung offensichtlich bemerkt hatte, »noch dazu die Art, wie es Ihrer Schilderung nach geschah. Und wahrscheinlich wird mir die Tatsache, dass wir jetzt endgültig, für immer voneinander getrennt sind, erst in ein paar Tagen voll bewusst werden – so ist das meistens im Leben. Aber wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich scheinbar so über den Ereignissen stehend mit Ihnen spreche, ich will Ihnen keine falsche Sentimentalität vorheucheln.«
Neundorf nickte, präzisierte ihre Frage. »Dann können Sie uns vielleicht helfen. Gibt es eine Person, die irgendwann einmal, aus welchen Gründen auch immer, mit Ihrem Mann aneinander geriet oder ihm mit irgendetwas drohte? Es geht nicht um ausgesprochene Feindschaft, eher um bisher vielleicht belanglos erscheinende Ereignisse in den letzten Jahren. Sie sollten jeden Namen nennen, der Ihnen in diesem Zusammenhang einfällt. Natürlich können wir nicht ausschließen, dass der- oder diejenige mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat. Aber das werden wir schnell feststellen. Ihr Name wird nicht fallen. Wir werden niemand erzählen, Sie hätten uns geschickt.«
Ihr Gegenüber nickte, winkte mit der Hand ab. »Das ist mir klar. Trotzdem habe ich Schwierigkeiten mit der Fragestellung. Ein Stück weit betätige ich mich dabei in der Tradition übler Denunziation. Das ist nicht unbedingt meine Sache.«
»Wir suchen nach einem Mörder. Sie sollten sich die Leiche Ihres ehemaligen Mannes ansehen, dann fällt es Ihnen vielleicht nicht mehr so schwer. Außerdem: Sobald wir den vermeintlichen Täter finden, wird er sich vor einem ordentlichen Gericht verteidigen können.«
»Vielen Dank für die Belehrung. Sie scheuen wirklich keine Mühe, Ihre Gesprächspartner auf Trab zu bringen.« Stefanie Herzog wischte sich mit der Rechten die Haare aus der Stirn, setzte dann unvermittelt zu einer Antwort an. »Ich fürchte, das wird nicht einfach für Sie. Karl hat viele Feinde.«
Neundorf und Braig schauten die Frau überrascht an. »Wie sollen wir das verstehen?«
»So wie ich es sage. Dass er viele Feinde hat, lässt sich bei seinem Job wahrscheinlich nicht vermeiden.«
»Er entscheidet über berufliche Karrieren?«
»Er hat es lange Zeit getan, ja. Die Schulung von Verkaufsmethoden wurde erst vor wenigen Jahren zum neuen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Ein wichtiger Grund dafür war, dass er es satt hatte, sich ständig mit gescheiterten Existenzen abzugeben.«
Neundorfs fragende Miene veranlasste Stefanie Herzog, ihre Aussage zu erläutern. »Psychologische Gutachten. Für Drogendelinquenten, Alkoholiker, zwangsweise ihres Führerscheins entzogen, Randalierer, notorische Gewalttäter, psychisch Kranke –
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