Schwaben-Wahn
Platz.
»Habe ich schon erledigt. Nichts, ein unbescholtenes Blatt. Er war früher ebenfalls Pilot, ist seit einem Unfall aber krankgeschrieben.«
»Was für ein Unfall?«
»Mit einem Flugzeug. Genaueres weiß ich nicht.«
»Vielleicht sollten wir ihn uns doch noch genauer ansehen. Wer weiß, ob nicht Wulf mit dem Unfall zu tun hat.«
Neundorf schien überrascht, ließ mit ihrer Antwort auf sich warten. »Daran habe ich nicht gedacht. Aber das muss ich dir überlassen. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Johannes hat sich ein paar Mal erbrochen, meine Mutter ist halb hysterisch.«
»Er ist krank?«
»Nein, sie riefen aus dem Kindergarten an. Sie holte ihn ab und legte ihn ins Bett. Aber er hat immer noch keine Ruhe.«
»Ihr braucht einen Arzt.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte sie, »und ich melde mich, sobald ich kann.« Er wollte die Verbindung gerade unterbrechen, als er noch einmal ihre Stimme hörte. »Du hast Frau Herzog gefragt, ob die beiden Männer sich kannten?«
»Tut mir Leid. Das habe ich vergessen.« Er versprach, es sofort nachzuholen, beendete das Gespräch, suchte nach der Nummer Stefanie Herzogs.
Eine Frau betrat den Zug, triefend vor Nässe, schüttelte die Feuchtigkeit von sich ab. »Soichwetter, elendiges!«, schimpfte sie, als sie seinen Blick bemerkte.
Braig nickte ihr zu, hörte den kräftigen Donnerschlag, der alle anderen Geräusche übertönte. Mit lautem Dröhnen brach er sich an der nahen Bergkette, lief erst nach mehrfachem Grollen langsam aus. Braig gab die gesuchte Telefonnummer ein, hatte nach kurzem Läuten Stefanie Herzog am Ohr. Ihre Stimme klang leicht gereizt, als er sich vorstellte.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.
»Wir haben einen zweiten Mord«, sagte er, »Sie wissen es vielleicht schon!«
»Das bleibt nicht aus, auch wenn es noch nicht in der Zeitung steht. Journalisten haben mich angerufen. Sie wollten wissen, ob ich den Toten kenne.«
»Journalisten?«
»Allerdings. Die familiären Verhältnisse meines ehemaligen Mannes machten offensichtlich schnell die Runde.«
»Ist Ihnen das neue Opfer bekannt?« Braig sah auf, weil er die Ansage des Zugführers hörte, der die Abfahrt bekannt gab. »Christoph Wulf«, setzte er hinzu.
»Nie gehört, den Namen. Ob mein Mann zu ihm Kontakt hatte? Ich weiß es nicht. Ich habe Sie neulich schon darauf hingewiesen, dass wir getrennt lebten. Wenn ich den Mann nicht kenne, bedeutet das noch lange nicht ...«
»Ja, ich verstehe«, fiel Braig ihr ins Wort. Er sah nach draußen, weil der Zug sich in Bewegung setzte, konnte kaum etwas erkennen. Der Regen stürzte in dichten Kaskaden nieder. »Wulf war Pilot bei einer Billigfluglinie namens Fly cheap«, fuhr er fort, »der Name sagt Ihnen nichts?«
»Ich weiß Bescheid. Die Journalisten. Nein, ich kann Ihnen nicht helfen.«
Er seufzte laut, sah, dass die Frau zwei Sitzgruppen weiter vorne sich nach ihm umdrehte. Sie hatte ihre nasse Jacke ausgezogen. Er schaute nach draußen, sah immer noch Wassermassen wie eine undurchdringliche Wand niedergehen. »Dann gibt es überhaupt keine Verbindung zwischen den beiden Männern?«
»Woher soll ich das wissen?« Die Aggressivität in Stefanie Herzogs Stimme war nicht zu überhören. »Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe, nicht meine.«
Er hörte die Ansage des Zugführers: »Weiler!«, überlegte, ob er noch etwas fragen müsste. »Kennen Sie Krakau?«
Stefanie Herzog zischte verächtlich. »Muss ich das?«
»Christoph Wulf flog mehrfach in die Stadt.«
Der Zug bremste, kam zum Stehen. Braig stellte überrascht fest, dass es heller wurde, der Regen deutlich nachließ.
»Dann haben Sie es doch«, sagte seine Gesprächspartnerin.
Die Tür ging auf, zwei Männer stiegen ein. Sie falteten ihre Schirme zusammen, nahmen weiter vorne Platz.
»Was habe ich?«, fragte Braig.
»Na, Ihre Verbindung. Karl arbeitete seit fast zwei Jahren in Krakau. Vielleicht haben sie sich dort getroffen.«
18. Kapitel
War das die Gemeinsamkeit, nach der sie suchten, der Punkt, an dem die Fäden der beiden Verbrechen zusammenliefen? Karl Herzog und Christoph Wulf, beide beruflich mit Krakau verbunden – der eine durch einen längeren, mehrere Monate währenden Aufenthalt, der andere durch ständige Zwischenstopps in der Stadt. Waren sie dort – oder unterwegs – aufeinander getroffen, hatten sie sich in der polnischen Stadt kennen gelernt?
Braig hatte das Gespräch mit Stefanie Herzog beendet, in Gedanken versunken nach draußen in die
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