Schwaben-Wahn
»die wartet in Waiblinge.«
Die Beamtin stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen da, schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit. »Das war eine Frau«, brummte Braig und drehte sich wieder nach vorne. Er erinnerte sich an den Moment vor dem Unfall in Tübingen, als er angehalten hatte, weil er Theresa Räuber am Straßenrand hatte stehen sehen – im Gespräch mit einer bildhübschen jungen Frau,
der
jungen Frau, die hier die Autos kontrollierte. Er hatte nicht gewusst, dass es sich um eine Kollegin handelte, wunderte sich im Nachhinein darüber, dass Theresa es bei der gegenseitigen Vorstellung nicht erwähnt hatte. Ihr Name war ihm entfallen – kein Wunder bei dem schrecklichen Ereignis, das sich unmittelbar danach ereignet hatte.
»I han die gar net beachtet,« meinte Rössle. Er schloss zu dem Fahrzeug vor ihnen auf, folgte der Landstraße abwärts nach Stetten. Der Verkehr wurde immer dichter, verlangte volle Konzentration. Sie fuhren an Endersbach vorbei, dann durch Beinstein. Keine fünf Minuten später hatten sie die Talaue in Waiblingen erreicht. Sie passierten den modernen Komplex des Bürgerzentrums, folgten der Winnender Straße über eine Brücke auf die Schwaneninsel. Vor den Gebäuden des Kulturzentrums Schwanen und des Jugendgästehauses parkten mehrere Polizeifahrzeuge.
»I denk, mir sind richtig«, erklärte der Techniker. Er parkte das Auto auf der anderen Straßenseite kurz vor der Brücke, die über den westlichen Seitenarm der Rems unmittelbar auf den pittoresken Beinsteiner Torturm zuführte. Sie stiegen aus, sahen den uniformierten Kollegen, der den Zugang zum Biergarten überwachte.
Braig stellte sich und den Kollegen vor, folgte dem asphaltierten Weg den Fluss entlang. Er kannte die Umgebung, hatte in den vergangenen Jahren mehrfach in der Waiblinger Altstadt zu tun gehabt. Das Gelände lag idyllisch auf drei Seiten halbmondförmig von Wasser umgeben. Üppig grüne Büsche und Bäume säumten die Ufer der Rems. Braig ging auf zwei Beamte zu, die kurz vor der Fußgängerbrücke zur Erleninsel standen und sich unterhielten. Er grüßte, stellte sich vor, sah die rückwärtige Partie eines Autos aus dem Wasser ragen. Das Ufer fiel an dieser Stelle steil ab, der Wasserspiegel des schmalen Flusslaufs lag einen guten Meter tiefer als das Niveau der Insel. Das gewohnte Bild, schoss es ihm durch den Kopf. Der dritte Tote. Blieb nur die Frage, wen es diesmal getroffen hatte.
Er starrte nach unten zu dem Fahrzeug, sah, dass es sich um einen kleinen Daimler handelte. Die Scheiben reflektierten die ersten Strahlen der Sonne, jeder Versuch, ins Innere des Wagens zu spähen, misslang. Braig beugte sich trotzdem noch weiter nach vorne.
»Der ist leer«, sagte einer der beiden uniformierten Beamten neben ihm, »da ist keiner drin.«
»Wie bitte?«, fragte Braig.
»Wir waren im Wasser«, erklärte der Kollege, »gleich, als die Meldung kam.« Er zuckte mit der Schulter. »Naja, wir dachten, wir könnten vielleicht noch jemand retten.«
»Keinen Zweifel?«
Der Beamte schüttelte den Kopf. »Das Fenster der Fahrertür ist offen, sehen Sie.« Er zeigte zur Seite, machte Braig Platz. »Wir haben den gesamten Innenraum abgetastet. Da ist nichts.« Er hielt inne, weil sein Handy läutete, nahm das Gespräch an.
Braig starrte nach unten ins Wasser, sah nur die trübe Brühe des Flusses.
»Der Kerl hat es zugegeben?«, rief der uniformierte Beamte. Er starrte zu seinem Kollegen, hörte sich die Meldung vollends an, steckte das Handy dann weg. »Das wird teuer«, meinte er.
»Um was geht es?«, fragte Braig. Er sah Rössle mit seinem Arbeitskoffer in der Hand auf sich zukommen, stellte ihn vor. Der Techniker trat an die Böschung, betrachtete das Fahrzeug.
»Die Sache ist geklärt«, sagte der Beamte, »meine Kollegen haben mich gerade informiert. Sie sind in der Wohnung beim Besitzer des Wagens. Der Mann ist jetzt noch betrunken. Er hat es gestanden.«
»Wie?«, fragte Rössle, »des isch gar nix für uns? Der Kerl war bsoffe?«
»Ich habe es eben erst erfahren, sorry! Der Mann hat zugegeben, heute Nacht betrunken gefahren und vom Weg abgekommen zu sein. Er wollte auf die Talaue Straße fahren und wusste, dass sie den Fluss entlangführt. Leider ist er etwas zu früh abgebogen.«
»Und wie kam er aus seinem Auto?«, fragte Braig.
»Er muss in letzter Sekunde bemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Kurz bevor es den Wagen die Böschung hinunterkatapultierte, sei er rausgesprungen, behauptet er. Die
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