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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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es heilt weiterhin so schnell.«
    »Glück ghett, wie?«
    »Mehr als das. Wenn mich die Katze nicht aus dem Auto gelockt hätte …« Er hatte sich die möglichen Folgen noch gar nicht ernsthaft überlegt, war den Gedanken an die Gefahr, in der er sich befunden hatte, durch die berufliche Anspannung bisher erfolgreich ausgewichen. Allein, sich das Bild vor Augen zu holen, wie sein Dienstwagen nach dem Aufprall ausgesehen hatte …
    »Wahrscheinlich haltet mir den Job nur durch, wenn mir solche Ereignisse ganz schnell aus unserem Gedächtnis löschet, oder?«
    Er drehte seinen Kopf zur Seite, betrachtete den Kollegen. »Wahrscheinlich, ja. Auf jeden Fall nehme ich jetzt öfter die Bahn.« Das Läuten seines Telefons befreite ihn von dem Zwang, über Rössles Worte nachzudenken. Er sah den skeptischen Blick des Kollegen, entschuldigte sich. »Ich kann nichts dafür. Stöhr besorgte mir das Handy nach dem Unfall. Ich kam noch nicht dazu, mir eine andere Melodie einzuprogrammieren.« Er zog das Gerät vor, hatte Ann-Katrin in der Leitung.
    »Ihr habt schon wieder einen Toten?«
    »Bis jetzt nicht, nein. Wir hatten Glück. Nur ein paar Idioten, die ein Auto mit einer Puppe ins Wasser jagten. So sieht es jedenfalls aus. Aber jetzt müssen wir nach Waiblingen. Dort soll es wirklich wieder passiert sein.«
    »In Waiblingen? Oh nein. Du tust mir Leid.«
    »Wie geht es Mama?«
    »Deshalb rufe ich an. Unverändert.«
    »Du bist im Krankenhaus?«
    »Seit ein paar Minuten, ja. Theresa kommt später. Ich bleibe vorerst hier.«
    »Ich wünsche dir und Mama alles Gute.«
    »Danke. Wir hören voneinander.«
    Er schaute nach vorne, sah, wie der Verkehr sich staute, steckte das Handy weg.
    Rössle schimpfte leise vor sich hin, schaute auf die Uhr. »Zehn vor neun. Das kann heiter werde.« Er trommelte auf das Steuerrad, fädelte sich dann nach rechts ein. »Stuttgarter Kreuz. Mir umfahret die Stadt. I gang uf d’Autobahn.«
    Braig nickte, verfolgte schweigend die Bemühungen des Kollegen, den Stau zu umfahren.
    »Deine Schwiegermutter?«, fragte der Techniker.
    »Sie liegt im Katharinenhospital. Bewusstlos.«
    »Schon lange?«
    »Seit gestern. Herzstillstand mit Wiederbelebung. Aber sie ist immer noch nicht wieder da.«
    »Wie alt?«
    »Fünfundsechzig.«
    »Das isch zu jung. Viel zu jung.«
    Braig wusste, wie Recht der Kollege hatte, wollte nicht daran denken, was geschehen sollte, falls Irene Räuber nicht mehr aus dem Koma erwachte. Ann-Katrin hatte zu viel mitgemacht in den letzten Jahren. Schwerst verwundet durch den Schuss eines Verbrechers, mehrere Operationen nacheinander, Schmerztherapien ohne Ende. Und jetzt das! Gab es überhaupt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt?
    Er fragte Rössle nach dem Wohlergehen seiner Familie, hörte die Leiden eines Familienvaters, dessen Töchter gerade der Pubertät entwachsen waren. »Bei meiner Anne standet die Kerl Schlange und mei Uli hockt Tag und Nacht bei de Gäul.«
    Sie umfuhren Stuttgart großräumig, bogen bei Denkendorf nach Norden ab, dann an Esslingen vorbei über den Schurwald. Auf halbem Weg zwischen Esslingen und Stetten staute sich der Verkehr erneut.
    »Was isch jetzt scho wieder?«, brummte Rössle.
    Braig schaute nach vorne, sah ein Polizeiauto mitten auf der Fahrbahn stehen und unmittelbar dahinter uniformierte Beamte die passierenden Fahrzeuge überprüfen. »Kollegen«, sagte er, »ich habe meinen Ausweis dabei, das gibt kein Problem.«
    »Was hent die zu kontrolliere? Isch was passiert?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich Routine.«
    Sie fuhren langsam auf die Kollegen zu, sahen, wie sie ein Auto nach dem anderen vorbeiwinkten. Braig zog seinen Ausweis aus der Tasche, öffnete das Beifahrerfenster, hielt ihn deutlich sichtbar in die Höhe. Sie passierten die beiden Beamten im Schritttempo, winkten ihnen freundlich zu. Erst auf Augenhöhe bemerkte Braig, dass es sich um einen Kollegen und eine Kollegin handelte. Er schaute der Frau ins Gesicht, deren Augen ebenso wie die ihres Kollegen von einer Sonnenbrille geschützt wurden, erkannte sie auf den ersten Blick.
    »Des isch a komischer Sparrefantel!«, schimpfte Rössle. »Der glotzt doch grad an oim vorbei.« Er beschleunigte wieder, sah Braig zu der Beamtin zurückstarren. »Was isch los? Kennsch du den Kerl?«
    Der Kommissar reagierte nicht, versuchte, die Kollegin durch die hintere Scheibe zu beobachten. Sie hatte ihr Gesicht abgewandt, schaute in die andere Richtung.
    »Mir hent koi Zeit«, drängte der Techniker,

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