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Schwaben-Zorn

Titel: Schwaben-Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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»erfolgreich therapiert« definiert hatten – erfolgreich therapiert, wo so lange jede Hoffnung auf Besserung als unmöglich erklärt worden war. Monatelang hatten sie sie von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik geführt, erst voller Optimismus, dann aufs Neue enttäuscht, bangend, flehend, um Besserung heischend. Und dann, als sie mit ihren Kräften fast am Ende waren, das überraschende Angebot der Klinik, sie doch noch aufzunehmen, ihr eine Therapie anzubieten, die buchstäblich letzte Chance zu nutzen. Wochen hatte sie dort verbracht, umsorgt und behandelt von den besten Fachleuten, die es gab, und dann war das Wunder tatsächlich geschehen, die Heilung doch noch erfolgt. Sie hatten es anfangs nicht glauben wollen, die Nachricht der Ärzte als Täuschung empfunden, doch sie war zurückgekehrt – schwach und entkräftet zwar, doch gesund und beseelt von neuem, unverbrauchtem Lebensmut. Wir haben es geschafft, hatten sie sich gegenseitig zugeflüstert, leise, um das Schicksal nicht doch noch herauszufordern.
    Wir haben es wirklich geschafft. Sie ist wieder gesund.
    Sie starrte wieder nach oben, sah, wie der Vater aus dem Fenster kletterte, sich selbst in Gefahr begebend. Genau in dem Moment verlor sie den Halt. Sie fiel der Länge nach auf die Ziegel, rutschte über die Kante und kam ihr, durch die Luft wirbelnd, blitzschnell entgegen. Das schreckliche Geräusch, als das Mädchen vor ihr auf den Boden prallte – nie würde sie es vergessen. Sie wähnte unzählige Messer in ihrem Leib, mit scharfen Klingen all ihre Eingeweide zerschneidend, spürte, wie das Leben aus ihr selbst zu entschwinden drohte, versuchte zu schreien, so laut sie konnte. Ihre Arme ruderten durch die Luft, suchten Halt, fanden nichts als die nasse Wand des Hauses.
    Sie schnappte nach Luft, riss ihren Oberkörper mit letzter Kraft hoch, starrte ins Dunkel der Nacht. Schweiß troff ihr von der Stirn, ihr Herz jagte. Als der Bettrost unter ihr knarzte, begriff sie, wo sie sich befand. Sie sah den fahlen Lichtschein, der durch das breite Fenster von der Straße ins Zimmer fiel, hörte das sachte Miauen der Katze. Am ganzen Leib zitternd drückte sie sich vollends vom Bett hoch.
    Seit Monaten ging es so, fast jede Nacht: Wie in einem wiederholt ausgestrahlten Spielfilm lief das Geschehen vor ihr ab. Sie sah das auf dem Dach balancierende Mädchen, ihre vergeblichen Versuche, das Unglück zu verhindern, den Schlag und die Schmerzen. Verschwitzt und mit jagendem Puls schoss sie in die Höhe, versuchte sich von dem Albtraum zu lösen und wieder zur Realität zu finden.
    Lisa Neumann blickte sich im Zimmer um, hörte auf die Geräusche der weit fortgeschrittenen Nacht. Irgendwo, mehrere Straßenzüge entfernt, hupte ein Auto. Bremsen quietschten, ein Motor heulte auf, ein Fahrzeug preschte durch menschenleere Häuserschluchten. Die Geräusche einer normalen Nacht.
    Und doch war heute irgendetwas anders. Sie wusste zuerst nicht, was sie irritierte, benötigte einige Sekunden, vollends zu sich zu kommen. Dann wurde sie sich der Ursache ihrer Verunsicherung bewusst.
    Leise, vorsichtige Schritte. Das Ächzen einer Schranktür, eine Schublade, die etwas zu hastig aus ihrer Verankerung gerissen wurde. Die Geräusche kamen aus dem Nebenraum, dem Wohnzimmer.
    War er zurückgekehrt? Ohne sich anzukündigen, mitten in der Nacht?
    Vielleicht hatte er etwas vergessen, wichtige Unterlagen, die er für seine aktuellen Recherchen benötigte. Aber warum hatte er sie dann nicht angerufen, sie gebeten, ihm das Material zu schicken oder zu faxen? Weil es zu wichtig, vielleicht zu brisant für seine Ermittlungen war?
    Sie wusste es nicht, fühlte sich zu müde, länger darüber nachzudenken. Die Katze miaute leise, starrte misstrauisch zu ihr hoch. Sie fremdelte, zeigte kein Zutrauen zu der Frau, die erst seit zwei Tagen in ihrem Revier hier lebte. Wahrscheinlich war sie für das lautlos durch die Wohnung streifende Tier ein unerwünschter Eindringling, der es in seiner Ruhe und seinem Frieden störte. Vielleicht sollte sie die Katze in den nächsten Tagen mit besonders üppigen Portionen Dosen- und Trockenfutter verwöhnen, um sie für sich zu gewinnen. Erkaufte Liebe, nicht gerade der aufrichtigste Weg zu einem freundschaftlichen Verhältnis – aber verliefen menschliche Beziehungen nicht oft genug nach einem ähnlichen Strickmuster?
    Sie musste sich zusammenreißen, ihre Gedanken nicht abschweifen zu lassen, hörte aus dem Nebenzimmer das Geräusch einer schlecht

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